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Kreuz und Quer durch Südamerika Von Ecuador nach Feuerland

Vom Reisen - im Allgemeinen, im Besondern und in Argentinien

ARGENTINA | Thursday, 17 January 2008 | Views [1270]

Reisen sind kein Urlaub. Eine kleine wichtige Wahrheit. Neben tollen Bildern und Geschichten ist es anstrengend sich um alles selbst zu kümmern, zu suchen, zu organisieren und herauszufunden, wie Dinge funktionieren und sich damit anzufreunden, dass immer wieder alles neu ist. Nachdem mir zu Beginn einmal vorgeworfen wurde, der folgende Artikel sei zu negativ, habe ich ihn kurz herausgenommen ihr bekommt ihn jetzt aber trotzdem zu lesen.

Er resultiert aus der Frage, woher ich die Motivation für mein weiterreisen nehme, eine Frage, über die ich kaum nachdenken musste um sie zu beantworten: aus dem was ich jeden Tag sehe und erlebe. Aber wie gesagt, es ist kein Urlaub und damit ihr da draussen mal einen kleinen Hauch von dem mitbekommt, was sozusagen hinter den Kulissen pasiert, nun das folgende und die Anmerkung, dass ich am Ende des Tages über die meisten dieser Dinge lache. Es gehört nuneinmal dazu.

Langzeitreisen sind so eine Sache, man ist lange genug unterwegs um sich an die tägliche Reiseführerlektüre, das ständige packen und weiterreisen zu gewöhnen und das Nomadensein zu geniessen. Die Motivation weiterzuziehen ist nicht das Problem - das Problem ist das stehenbleiben.

So seltsam es klingt, man braucht Urlaub, Pausen und Orte, an denen man mal ein paar Tage am Stück bleibt ohne etwas zu tun, sich anzusehen oder zu organisieren. Das Problem ist dabei, dass man sich manchmal geradezu dazu zwingen muss. Klar, man trifft auch Leute, die sich 2 Monate in einem Hostal in Buenos Aires niedergelassen haben, nicht mehr als 3 Blocks in der Umgebung kennen und ansonsten vielleicht mal am Strand liegen.

Komischerweise sind es aber gerade die Langzeitreisenden, die von einem Ort zum nächsten hetzen, ohne Pause und irgendwann fix und fertig sind und gelegentlich noch krank dazu, weil Erkältungen und Durchfall und gelegentlich auch mal Dengue-Fieber verschleppt werden. Also lässt man sich nieder, irgendwo am Strand oder in einer kleinen Stadt und wenn ersteinmal alles aus dem Rucksack quer über das jeweilige Zimmer bzw. Zelt verteilt ist, ist man genervt davon wieder einpacken zu müssen (ja, packen nervt), Bustickets besorgen, planen, wo ma überhaupt hin will, was sich lohnt, was nicht, was sagt der Reiseführer, was könnte nett sein, auch wenn der Reiseführer gegenteiliges behauptet (Puerto Deseado, wird kaum erwähnt, ist aber immernoch einer der Höhepunkte der Reise!), wovon hat einem schoneinmal jemand erzählt ...

Dann ein neuer Ort, wieder neu zurechtfinden, wo kann man wohnen, wo billig (und gut) essen, woher bekommt man etwas anderes als Mozzarella-Pizza (hier in Argentinien immer mit mehr Mozarella als Pizza), hat das Hostal eine Küche, wäscht die Lavanderia meine Wäsche per Kilo, per Stück oder per Waschladung (und muss ich wirklich schonwieder Klamotten waschen?) und wo gibt es guten Kaffee (in Argentinien meist nur in ziemlich teuren Cafés namens Havanna, aber wenigstens sind die Zeiten der Kaffee-Essenz vorbei) ...

Jetzt wo ich das alles versuche zu schreiben klingt es furchtbar und anstrengend, aber wie gesagt, man gewöhnt sich daran genauso wie daran auf seinen Kram aufzupassen (Ruchsack im Bus nie unter den Sitz stellen, schon gar nicht in die Hutablage, sondern so dass man ihn sieht und am besten mit dem Fuss in einem der Schultergurte, damit das Ding nicht beim wegschauen geklaut wird), regelmässig Fotos von der Digitalkamera zu sichern (falls die Kamera geklaut oder verloren wird. Nicht die Kamera ist das Problem, sondern die verschwundenen Fotos) und Plastiktüten zu sammeln.

Reiseregel: Man braucht immer Plastiktüten! In ganz Südamerika wird man damit bombardiert, für jede Wasserflasche bekommt man eine. Ein mittelgrosser Einkauf im Supermarkt bringt mindestens 7 Tüten ein, Brot wird in Papier und dann in Plastik eingepackt, Gemüse in Plastik und dann nochmal eingetütet. Also ist es relativ einfach alles Auslaufsicher und wasserdicht im Rucksack zu verstauen, bevor er wieder in den Untiefen des Laderaums in einem Nachtbus verschwindet (nächste Regel: irgendetwas läuft immer mal aus). Prinzipiell gibt es zwar jede Menge Tüten hier, aber die halten maximal eine Busfahrt lang, also braucht man noch mehr. Und dann das: Comodoro Rivadavia, Argentinien. Es gibt keine Tüten! Nirgends! Man steht verzweifelt an der Kasse und muss erfahren, dass die Stadtverwaltung Plastiktüen verboten hat (was tatsächlich Sinn macht, denn die Stadt ist sehr windig und so sind die Sand- und Mülltornados auf den Strassen so weitgehend Plastiktütenfrei). Aber das hat mich vor ernsthafte Probleme gestellt.

Nun gut, so weit der Plastiktütenexkurs. Ich habe gerade die Grob-Planung für die nächsten Tage und Wochen gemacht, die meisten Hostals, Busse und Fähren sind hier in Patagonien ungünstigerweise Wochen vorher ausgebucht, also muss man tatsächlich früh buchen und entscheiden, wo man wann sein will. Bisher bin ich immer irgendwo angekommen und war dann eben da und habe mir etwas gesucht. Wirklich planen zu müssen was abgesehen von morgen pasieren soll ist anstrengend!

Zugegeben und das zum Ende, es gibt Tage, da geht alles schief: Ich hatte zwar ein Busticket für den einzigen Bus, der einmal am Tag (nachts um 2 Uhr) kleines Dorf verliess, aber mir wurde entgegen der festen Versprechungen des Verkäufers kein Sitzplatz reserviert, weshalb ich die halbe Nacht auf einer Holzkiste sitzend über schlammige Schotterstrassen ruckelte (nichts mit schlafen). Der Rucksack triefte vor Nässe und rotem Schlamm, nachdem er aus dem Bus ausgeladen wurde. Das (laut Reiseführer) einzige Hostal das noch Zimmer hatte, hatte leider auch jede Menge Bettwanzen, was ich (weil todmüde) erst gemerkt habe, als ich schon bezahlt hatte. Jegliche Restaurants oder Läden waren geschlossen oder nicht existent (verfluchter Reiseführer!), was bedeutete dass ich bis zum nächsten morgen von einer Packung Keksen leben musste (merke: immer Essen mitnehmen!). So geschehen in Bolivien.

Aber irgendwie geht dann doch fast alles. Nach einem kurzen Heulanfall neben meinem Rucksack bin ich hinausgegangen in die grosse weite Welt, habe für einen Spottpreis ein wesentlich besseres Hotel gefunden (3,40 Euro für ein Zimmer mit sauberem Bad, Fernseher und Ventilator - und ohne Bettwanzen. Nächste Reiseregel, Reiseführer sind wichtig, aber glaube nicht alles was drin steht), wurde auf eine Cola eingeladen und habe noch einen wirklich netten Abend mit ein paar Leuten aus dem Ort verbracht.

Reiseregel Nummer eins: Am Ende wird alles irgendwie gut, irgendwie. (das Essensproblem liess sich an jenem Abend leider nicht mehr lösen. Reiseregel: nimm immer Essen mit, Du weisst nie, wann es wieder etwas gibt oder ob das was es gibt auch geniessbar ist. Das gilt besonders für längere Busfahrten, auf denen es angeblich immer etwas zu essen gibt. In der Realität ist das nicht unbedingt der Fall und auch dann ist es seit Peru selten mehr als Reis mit Huhn und noch seltener ist es wirklich geniessbar).

Und am Ende des Tages steht man vor irgendeinem Gletscher, merkt, dass man die Tatsache, dass eine Seelöwenkolonie über einen Kilometer Meer hinweg stinkt, nicht in Fernsehdokus mitbekommt oder schlürft einfach nur ein Bier (in Argentinien ist das Bier inzwischen sogar kalt, nicht mehr "temperatura natural", sprich lauwarm, wie es in Bolivien verkauft wurde. Weitere Reiseregel: immer fragen, welche Temperatur das Bier hat.) und dann ist es das alles wert.

Übrigens, für die am neuen Rauchverbot leidenden: Sowohl in Chile als auch in Argentinien herrscht ein weitgendendes Rauchverbot in öffentlichen Gebäuden, Restaurants und Kneipen. Und es funktioniert, obwohl hier im Gegenteil zum Rest von Südamerika wirklich viel geraucht wird (in Peru und Bolivien gibt es Koka, in Paraguay wird Mate getrunken - da muss man nicht rauchen).

Na Thomas, alle Fragen beantwortet? Mach's gut da drüben in Deutschland - Grüsse Tamara

P.S. Fotos gibt es wieder, wenn ich nicht mehr Unsummen für unsinnig langsame Internet-Cafes mit angeblich schnellen Satellitenverbindungen ausgeben muss. Noch so eine Sache: Internetverbindungen sind nie so schnell, wie es einem die Leute am Tresen glauben machen wollen.

 

 

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