Seit 1545 wird im Cerro Rico, an dessen Fuss sich Potosí befindet, Silver abgebaut. Jahrhundertelang wurden in Potosí spanische
Münzen geprägt. Ironie der Geschichte: bolivianische Münzen werden
heute in Spanien geprägt.
Silber gibt es nur noch
wenig im Berg, inzwischen werden Zinn, Zink, Blei, Wolfram und Antimon
abgebau. Wie abgebaut wird, hat sich in den hunderten von Jahren
allerdings kaum verändert.
Natürlich bin
ich nach Potosí gekommen um die Minen zu sehen. Führungen durch die Minen
werden in Potosí von alten "mineros" Minenarbeitern geleitet. Sie
beginnen mit einem Besuch des "mercado de los mineros", des Marktes der
Bergarbeiter. Dies ist der wohl einzige MArkt der Welt an dem Dynamit
frei verkäuflich ist, ohne Genehmigung, ohne Altersbeschränkung, für 6
Bolivianos pro Stange (ca. 0,60 Euro), 17 Bolivianos (1,70 Euro) mit
Spregstoffverstärker und Sicherheitszündschnur. Die mineros erklären,
wie der Sprengstoff gebraucht wird (genauere Ausführungen dazu sind
angesichts der derzeitigen Weltsicherheitslage wohl nicht abgebracht). Zudem gibt es 96%igen Alkohol zu
kaufen, jede Menge Koka-Blätter und Getränke, hauptsächlich Cola. Als
Geschenke für die mineros, und weil man sie bei der Besichtigung der
Mine praktisch von der Arbeit abhält, kauft man vor dem Besuch etwas
Dynamit, Cola und viel viel Koka, d.h. die getrockneten Kokablätter in
Plastiktüten.
Dann ein kurzer Besuch in den Erzaufbereitungsanlagen,
wo zwar nicht mehr mit Quecksiber, aber dafür mit Zyanid und anderen
Chemikalien gearbeitet wird, ohne Schutzkleidung, mit einfachsten
Maschinen.
Und dann die Minen. Am Eingang, nichts weiter als einem
schwarzen Loch im Berg, kommen einem die ersten schwer beladenen Loren
entgegen, bis zu einer Tonne Erz pro Wagen, 2 Männer ziehen den Wagen
an Seilen, 2 Männer schieben ihn an, über wackelige, lose Schienen. Und
dann hinein in die Dunkelheit: Die Wände sind gelb von Schwefel, die
Luft staubig, der Weg voller Löcher zwischen den Schienen. Es geht
einen halben Kilometer in die Minen, zwischendurch wird der Weg enger,
die Decke niedriger, nach allen Seiten, nach oben und unten gehen
kleine Stollen, eher Löcher ab, in denen Erz abgebaut wird oder wurde.
Immer wieder drücken wir uns an den Rand um eine Lore vorbeizulassen.
Erstaunlicherweise wird es unter Tage nicht kälter, sondern immer
wärmer und damit auch stickiger, bis zu 40 Grad, manchmal mehr,
herrschen in den Stollen und das auf einer Höhe von über 4.000m über
dem Meer.
In einem Seitenstollen begegnet uns ein "Tio de la mina", ein
Onkel der Mine. Die Minenarbeiter verehren sie wie Götter, jede Gruppe
unter Tage hat seinen eigenen Tio, ihm werden Zigaretten, Koka und
Alkohol, der erwähnte 96%ige als Opfergaben beigebracht. In er Hoffnung
auf reiche Funde (die Arbeiter werden nach dem Metallgehalt des Erzes
bezahlt) und gesunde Rückkehr ans Tageslicht. Weiter geht es durch enge
Schächte zu einer Gruppe von mineros. Ich habe selten so lustige
Menschen erlebt, wie dort unten in den Minen. Über alles wurde gelacht
und Witze gemacht. Alle hatten eine Backe vol mit Koka-Blättern. In der
Mittagspause, die sie gerade machten, stopften sie sich weitere Blätter
in den Mund. Ohne die Blätter wäre die Arbeit in den Minen nicht ertragbar.
So wurden wir auch zuerst um Koka gebeten, erst dann um Cola. Mit
Hammer und Meissel werden die Spenglöcher in das harte Gestein
getrieben. Die Gesichter der mineros sind jung, Faustino ist 16, er besteht darauf, das der
16-einhalb ist. Seit zwei Jahren arbeitet er in der Mine. Mario ist 39
und hat den Schacht von seinem Vater geerbt. Er ist der Verantwortliche
hier und der älteste. In der Mine angefangen hat er im Alter von acht
Jahren. Später begegnen mir Kinder, die nicht älter als 13 oder 14
Jahre als sind. Kinderarbeit ist zwar auch in Bolivien verboten, dass
hier Kinder arbeiten ist aber bekannt, wird nichteinmal versteckt. Je
weiter es nach unten geht, desto heisser wird es. Keiner von den
Arbeitern trägt Schutzmasken gegen den Staub, wie auch, selbst ich
nehme das Tuch vor dem Mund zeitweise ab um besser atmen zu können. Und
in der Hitze ist es auch kaum möglich schützende Kleidung zu tragen.
Zumal sich kaum einer der mineros diese leisten könnte. Nur einen Helm
haben alle, und einen Beutel Koka.
Bis zum Dritten Niveau von 17 gehen
wir hinab, es wird enger, durch Spalten im Gestein, durch die ich kaum
hindurchkriechen kann ohne den Helm abnehmen zu müssen, Holzrutschen
hinab, auf allen vieren durch den Staub. In den Stollen wird das aus
dem Berg gesprengte Erz mit dem Hammer zerkleinert. Durch ein Loch in
der Decke wird das Gestein dann in grossen Behältern aus alten
Autoreifen per Hand hinaufgezogen, direkt darunter im Schacht wird
währenddessen der nächste Behälter befüllt. Über wackelige Leitern geht
es nach 2 oder 3 Stunden, das Zeitgefühl hat mich längst verlassen
wieder nach oben, der Staub, die heisse Luft und die Anstrengung lassen
mich kaum atmen. Langsam wird die Luft frischer, der Staub weniger. Ich
war nie so froh, Tageslicht und Schneeregen zu sehen.