Meine Reisen bestätigen Folgendes immer wieder.
- Reden muss man mit den Leuten. Mund auf und raus mit dem, was einem auf dem Herzen liegt. Das hätte Kriege verhindern können.
- Gelegenheiten müssen beim Schopf gepackt werden. Später kann auch nie heißen. Und das passiert nicht mal selten.
- Eine positive Einstellung und ein Lächeln öffnen Tür und Tor.
Konkretes Beispiel.
Ich in Krabi in Südthailand. Bizarre Kalksteinformationen in Kombination mit Sandstränden und türkisblauem Wasser. Was gibt es mehr zu sagen. Wohl einer der schönsten Gegenden in Thailand. Tausende Touristen strömen jedes Jahr (und immer wieder) nach Krabi, um sich an den Stränden die Kante zu geben oder um zu klettern. Marlenchen kam für letzteres.
Da stand ich nun vor der Kletterwand. Hinter mir einer der besten Sandstrände der Welt, vor mir eine der besten Kletterwände der Welt, um mich herum Dutzende Kletterer, die munter mit kraxeln oder sichern beschäftigt sind. Ich will auch. Und wie ich will. Aber wie? Mich einfach zum Kurs anmelden, nur um herauszufinden, dass ich vielleicht doch an Höhenangst leide? Oder dass ich nach einem halben Meter mit hochrotem Kopf und schweißüberströmt aufgeben muss? Ich kann nicht mal einen Klimmzug machen.
Auf einmal stellen sich zwei Typen neben mich. Ein schwarz gelockter, braun gebrannter Thai (brauner als Obama) und ein etwas weniger brauner Südländer. Beide natürlich mit nackten Oberkörper, wie es sich für Kletterer gehört, die etwas auf sich halten. Ich fasse mir ein Herz und frage ganz beläufig, was sie denn so machen. Es stellt sich heraus, dass es sich um einen Kletterlehrer und seinen Schüler handelt. Ein Gesprach entwickelt sich.
“Willst du mit uns klettern?” fragt der Kletterlehrer. Sie brauchen eine dritte Person und ich sage zu. Wenn nicht jetzt, wenn dann ?
Eine halbe Stunde später schnalle ich mir den Klettergurt um und schlüpfe in die Kletterschuhe (Gott sei Dank habe ich so große Füsse, dass mir ihre Schuhe passen!). Ich weiß nicht, was mir geschieht. Jetzt gibt es kein zurück mehr. Mit klopfendem Herzen setze ich den Fuß auf den Felsen, ziehe mich hoch. Und noch einmal. Und dann geht es nur mehr hinauf. Ich kraxle und keuche, keuche und kraxle. Langsam komme ich weiter. Die anderen rufen mir Anweisungen zu. “Rechten Fuss wo das rechte Knie ist. Linke Hand auf elf Uhr.” Ich schaue nicht nach unten, nicht dass ich noch einen Schreck bekomme, wenn ich sehe, wie hoch ich geklettert bin.
Dann komme ich zum Anker. Geschafft! Ich kann es kaum fassen.
“Schau dich um. Geniesß die Aussicht.”
Überwältigend. Unglaublich. Ich bin mindestens zehn Meter geklettert, eher 15. Anfühlen tut es sich wie der Mount Everest, ohne den Schnee selbstverständlich. Zitternd werde ich hinuntergelassen, Adrenalin schiesst durch meine Adern. Die anderen gratulieren mir. Ich bin überglücklich. Am selben Tag klettere ich noch zwei Mal. Gratis. Am Abend schreibe ich mich für den dreitägigen Kurs ein.
Es werden anstrengende Tage. Nach dem ersten Tag schmerzen Muskeln, von denen ich nicht mal wusste, dass sie existieren. Meine Knie sind voller blauer Flecken. Daran erkennt man die Anfängerinnen. Nueng, der Kletterlehrer, ist unerbittlich in der Theorie und etwas nachgiebiger in der Praxis (da kommen meine mangelnden Muskeln ins Spiel). “German standards”, sagt er und grinst. Wenn ich wieder mal links mit rechts verwechsle, dann ruft er die Anweisungen auf Deutsch, was mich natürlich ziemlich ärgert. Er ist schon in Deutschland gewesen und eine Deutsche ist Mitbesitzerin des Klettershops.
Während des Tages wird geklettert, am Abend heißt es Ausgehen. Manchmal fahren wir mit dem Scooter in ein anderes Dorf. 90 Stundenkilometerr ohne Helm. Braucht hier niemand. Kein Wunder, dass die Narben der Kletterer nicht etwa vom Klettern sondern von Motorradunfällen stammen. Mir passiert nichts. Außer, dass ich mir am Auspuffrohr eine ausgewachsene Brandblase am Knöchel hole. Shit happens. Thaifood brennt auch. Und anstatt der Tränen treibt es einem den Schweiß aus den Poren. Als ob ich beim Klettern nicht schon genug schwitzen würde.
Am 20. Januar muss ich Krabi verlassen. Bin sowieso schon zwei Tage länger als geplant geblieben und habe meinen Flug von Bangkok nach Singapur in den Wind geschossen. Als ich in den Bus steige, der mich in 22 Stunden auf dem Landweg über Malaysia nach Singapur bringen wird, würde ich am liebsten wieder umkehren. Ich will Thailand nicht verlassen. Zu viel ist passiert. So viele schöne Erfahrungen. So viel. Und jetzt geht es auf einmal weiter nach Australien.
Das ist Reisen. Viele neue Begegnungen, viele kleine Abschiede. Aber nicht für immer. Ich werde wiederkommen.