Keine Ahnung, woran es liegt, aber wenn ich zum ersten Mal in einer völlig unbekannten Umgebung bin, dann brauche ich erstmal Zeit, um mich einzugewöhnen. So auch in Down Under.
Schon am Flughafen in Brisbane wurde mein Bilderrahmen vom Elefantentrekking aus Thailand mit einem Lächeln und einer Belehrung konfisziert. Diese Papiermache-Bilderrahmen würden in Wirklichkeit aus Elefantenmist bestehen und wären für Tier und Mensch eine potentielle Gefahr. Aha. Kein Problem. Hab das Teil ja nur einen Monat in meinem Rucksack herumgeschleppt.
Nach dem Immigrationsprozess schlägt die Realität zum zweiten Mal gnadenlos zu. Der Flughafenbus kostest 15 australische Dollar. Fünf Mal teurer als in Bangkok. Und in Bangkok war der Flughafen viel weiter entfernt. Doch damit nicht genug.
Der Hunger treibt mich in das nächste billige Restaurant, so wie ich es in Thailand zwei Monate lang gemacht habe. Ein Fast-Foodladen. Nach zwei Monaten ohne ordentliches Fast Food ist ein Burger mit Orangensaft eine willkommene Abwechslung. Er kostet 10 australische Dollar. Schock. Fast bleibt mir der Bissen im Halse stecken.
Spätestens da verstehe ich: Jetzt ist es offiziell. Ich bin nicht mehr reich. Ich muss wieder selber kochen. Waschen ebenso. Nix mehr mit Wäsche abgeben und am nächsten Tag duftend wieder zurück bekommen. Hier wird selbst gewascht und auch noch ordentlich für Waschmaschine und Waschpulver bezahlt. Ich streike. Wandere wie eine richtige Backpackerin in ungewaschenen Kleidern herum. Riechen kann ich mich selbst ja nicht, vor allem weil ich mir im Flugzeug eine ausgewachsene Erkältung zugezogen habe. Zudem ist meine Brandblase infiziert und ich ueberlege, ob ich zum Arzt gehen soll. Super. Ein genialer Start.
Langsam lerne ich die Leute im Hostel kennen. Ist auch nicht schwierig, da ich in einem Schlafsaal bin. Nix mehr mit Einzelzimmer für umgerechnet vier Euro. Hier kostet ein Bett im Schlafsaal umgerechnet 20 Euro. Bei diesen Preisen ist es auch kein Wunder, dass die meisten Backpacker arbeiten oder Arbeit suchen. Durch die Überschwemmungen haben manche einen lukrativen Job gefunden. Die Gespräche der Backpacker kreisen um – ratet mal – Geld, Geld und noch einmal Geld. . Ich habe noch nicht so wirklich Lust, mir eine Arbeit zu suchen. Noch habe ich genug Geld. Als meine Bancomat-Karte streikt und mir das Bargeld auszugehen droht (“Not enough funds available” – What the hell! Ich weiss, dass ich genug Geld habe!), ist das Mass voll. Ich brauche einen Job. Jetzt und sofort.
Was tut frau, um in Australien unkompliziert zu Geld zu kommen?
Sie startet Operation Dreamjob Australia. Schritt eins: Sie ruft die National Harvest Line an, eine Hotline, durch die arbeitswütige Backpacker eine Arbeit in der Landwirtschaft finden können: pflanzen, klauben, sortieren. Leider ist das alles nicht so einfach, wie ich zu meinem Leidwesen herausfinden muss. Arbeit gibt es im Moment nur im Norden, aber ich will in den Süden. Im Süden gibt es zwar auch Arbeit, aber dafür braucht frau ein eigenes Auto, um überhaupt mal zur Farm zu kommen. Also nix mit easy money bar auf die Hand.
Ausserdem habe ich Horrorstories gehört über die Arbeitsbedingungen in gewissen Orten, wo es viele saisonale Arbeitsstellen gibt. Hunderte Backpacker strömen in solche Städte, zahlen 20 Euro pro Nacht für ein Bett in einem überfüllten Schlafsaal und werden bei der anstrengenden Farmarbeit voll ausgenutzt. Super. Darauf kann ich dankend verzichten.
Also weiter zu Schritt zwei der Operation Dreamjob Australia: Lebenslauf schreiben und Jobanzeigen durchforsten. Muss ich wohl in den sauren Apfel beißen, wenn ich meinen Lebenslauf nicht daheim vorbereitet habe. Allerdings gestaltet sich die ganze Angelegenheit nicht so einfach, wenn frau keinen Laptop hat (die coolen Puristen unter den Backpackern haben keinen) und Internet umgerechnet vier Euro die Stunde kostet. Eine ahnungslose sympathische Deutsche leiht der armen Italienerin freundlicherweise ihren Laptop. Als die Deutsche weg ist, verwende ich Word, das auf den hosteleigenen PCs installiert ist. Gratis. Würde mir noch einfallen, zu fragen, ob ich auch noch für die Verwendung von Word zahlen muss!
Auf Grund des Internetmangels ziehe ich in ein anderes Hostel mit gratis Internetzugang. Das wird mir weiterhelfen. Im Internet finde ich sicher schnell eine Arbeit. Als ich sehe, dass sie buchstäblich NUR Internet haben, kein Word und nicht mal die Möglichkeit, einen Memory-Stick zu verwenden (also keine Chance, auch nur einen Lebenslauf zu verschicken) , kann ich einen Anfall nur knapp vermeiden. Müssen sie mir denn jeden einzelnen Dollar Bargeld aus der Tasche ziehen?!
Glücklicherweise treffe ich im Hostel einen anderen ahnungslosen Deutschen, der mir seinen Laptop leiht und meine Laune und mein Leben rettet. Ich beginne, Bewerbungsschreiben zu v erschicken und entspanne mich so sehr, dass ich am Abend mit Anna aus Polen, einem Paar aus Bergamo und einem Padovaner ausgehe und einen draufmache. (Fast) ohne Alkohol, weil ich mir das zur Zeit mit meiner Bargeldknappheit nicht leisten kann, mich so zu besaufen, dass ich vergesse, wieviel ich bezahlt habe. (Nicht, dass ich das schon mal getan hätte). Es wird ein cooler Abend. Zuerst Hardrock mit einem sich auf dem Boden windenden, schwitzenden und unter Drogeneinfluss stehendem Sänger, dann Reggae mit nichts sagendem Arschgewackel und gutaussehenden Schwarzen (allerdings nur aus der Ferne) und schliesslich Bad-Taste-Dancemusik, wo Chiara und ich ohne Rausch und ohne Schuhe abrocken auf dem Dancefloor und den Aussies zeigen, was Tanzen heißt.
Halleluja. Die Eingewöhnungsphase ist überstanden. Ich mag Australien.