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Indonesia

2. Dezember 2007

INDONESIA | Sunday, 2 December 2007 | Views [524]

In einem Magazin las ich vor paar Wochen von einem britischen Anthropologen, Lawrence Blair, der von seinen Landsleuten sagte: „das ist mein Clan, und ich verstehe sie“. In Ermangelung anthropologischen Vokabulars, hatte ich das für humorig gehalten, bis ich es mit der deutschen Botschaft zu tun bekam. Nach Sperren und Unterschriftprozeduren, Waffenkontrolle, Abgabe von Pass und Handy, sitze ich schließlich dem Botschafter und seiner Pressefrau gegenüber und weiß auf einmal, was er meint. Vielleicht wäre das Gefühl nicht so stark gewesen, wenn nicht mein indischer Chef vom Auslandsdepartment dabei gewesen wäre, der eine Viertelstunde zu spät hereingestürzt kam, von uns drei Deutschen missmutig betrachtet. Vor jedem Satz sagt er „Your Excellency“, während ich – instinktiv? den Regeln meines Clans zufolge? schlechtes Benehmen? -  auf jede Anrede verzichte, und nichtsdestotrotz oder vielleicht gerade weil wir Englisch sprechen, komme ich nicht gegen das Gefühl an, dass wir uns kennen, der Botschafter, seine Pressefrau und ich. Im Geheimen sprechen wir deutsch. Im Geheimen befinden wir uns in einer Art Herausforderungssituation, vielleicht weil die Hierarchieverhältnisse nicht so klar sind, wie sie es in Deutschland wären. Im Geheimen können wir uns wahrscheinlich auch nicht leiden, dennoch bekomme ich am nächsten Tag eine Einladungskarte mit Bundesadler in die Redaktion geschickt, auf der der Baron und die Freifrau mich und meinen Partner zum Weihnachtsempfang bitten, uAwg. Ich verstehe die Regeln also doch nicht. Was soll das denn, frage ich den Italiener, die mochten mich nicht und haben sofort geschnallt, dass ich ein ganz kleines Licht bin. Ist doch klar, sagt Sergio, die wollen dich im Auge behalten, „guardare un po’ cosa stanno facendo i loro polli.“ Das wird offensichtlich, als ich im Anschluss an das Interview nicht nur ein Porträt des Botschafters, sondern auch einen Artikel über die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Indonesien zu schreiben versuche. Die Deutschen wollen den Artikel sehen. Die Deutschen fangen an, darin herumzukorrigieren, meinen Satzbau, meine Aussagen, die Zitate des Botschafters, bis mein Chef sagt, ok, then we are not going to publish it, we are not making propaganda for Germany. Ich übe mich also im Armdrücken mit der Pressefrau, sage einen deutschen Satz, den ich immer schon mal sagen wollte – „Sie machen Ihren Job, ich mache meinen“  - und werde das Gefühl nicht los, dass alles einfacher wäre, wenn wir nicht dem gleichen Clan angehören und im Geheimen verstehen würden, wie der andere tickt.

 

Der Weihnachtsmarkt einer deutschen Exilantenorganisation hingegen stellt die umgekehrte Erfahrung bereit, den eigenen Clan plötzlich mit den Augen des Fremden zu sehen. Am feinen Hotel Aryaduta ankommend, in dessen erster Etage der Weihnachtsmarkt sich über mehrere goldplissierte Räume erstreckt, wird mir bewusst, seit Monaten keine Deutschen mehr gesehen zu haben. Überrascht setze ich mich erstmal auf die Eingangstreppen, sehe sie mir an und mache Notizen. Allein die physiognomische Zugehörigkeit kommt als ein Schock daher, der Wiedererkennungseffekt, ganz ohne das Dicke, Weiße und Rote der Tourismusklischees, hier ist eine andere Schicht am Start. Eine Schicht, die genau genommen die Regeln der indonesischen Middleclass übernommen hat: silbrige Toyotavans kommen vorgefahren, die deutschen Familien steigen mit ihrer indonesischen Nanny aus, und nicht mal das kann ich ihnen als kolonialistisches Gehabe ankreiden, weil jede nur einigermaßen besser gestellte indonesische Familie solche Nannys hat. Auf dem Weihnachtsmarkt verzogene Bratzen, die durch die Gänge des Luxushotels rasen, der Satz eines vorbeitobenden Elfjährigen bleibt haften: „I know this place, there’s another door over here“. Sie wechseln unbewusst zwischen Deutsch, Englisch und Französisch, haben weiße Hemden an und ihre internationalen Freunde mitgebracht; wie wachsen sie auf, diese Kinder meines Clans. Frauen, die rauchen. Deutsches Marzipan, deutsche Weihnachtskekse, deutsche Preise und Adventskränze und tatsächlich der Geruch von Bratwurst und Glühwein. Im großen Saal mit langen Holzbänken und Weihnachtsmarktdias aus Leipzig oder Dresden an der Wand bleibe ich einen Moment stehen: auch die Form des Zusammenseins ist eine andere, es ist laut, es herrscht Bierzelt, freundlich, zivilisiert, aber dennoch eine Geselligkeit, von der ich auf einmal nicht erklären könnte, wie sie eigentlich funktioniert.

Tags: On the Road

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