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Indonesia

16. November 2007

INDONESIA | Saturday, 17 November 2007 | Views [532]

Alejandro Iglesias Rossi ist Dirigent des Indigenous Instruments and Modern Technology Orchestras, das die Instrumente der Eingeborenenvölker Argentiniens wiederzubeleben bestrebt ist. Auf der Bühne des Theater Luwas im Stadtteil Cikini toben sechzehn Musiker mit Palmblättern, Eisenplatten und für den Laien nur schwer als Instrumente zu identifizierenden Holzkonstruktionen. Ich versuche, in der Dunkelheit Notizen zu machen und die Fragen zu repetitieren, die ich Herrn Rossi stellen will, der gerade mit zwei Rasseln eine Art Derwischtanz zur Anschauung bringt. Und überlege einmal mehr, ob das nun der Fluch oder die Faszination des Berufs ist, den ich gerade ausprobiere. Von einem Moment auf den anderen mit Dingen und Menschen konfrontiert zu sein, von denen man nicht nur nicht gedacht hätte, dass man mit ihnen zu tun bekäme, sondern deren Existenz man zwei Stunden zuvor noch nicht einmal geahnt hätte. Always be prepared, there is nothing more embarrassing than not to be prepared hat Bruce gesagt, der Herausgeber des Wochenendmagazins der Jakarta Post, den ich ein paar Tage zuvor interviewt hatte. Dabei schob er sich zufrieden ein großes Eigelb von der Frühstücksbar des Hotels Aniston in den Mund. Aber er, der alle A- und B-Prominenz interviewt hat, die des indonesischen Weges gekommen ist, und den ich frage, wie man ein gutes Interview führt, sagt auch, dass man sich dem Gespräch überlassen soll, kleb nicht zu sehr an deinen Fragen. Vorbereitet sein auf ein argentinisches Eingeborenenorchester. Sich dem Gespräch überlassen, während fünf kleine Indonesier neben mir Herrn Rossi ihre Aufnahmegeräte unter die Nase halten. Zum Glück ist Herr Rossi ein Profi, was man nicht nur daran merkt, dass er freundlich und geduldig bleibt und man ihm die Anstrengungen des Konzerts kaum anmerkt: “There is no gap between tradition and creation, we believe that both go together. Creation without tradition is like a tree without roots and tradition without creation belongs to the museum,” sagt er. Und: “The reason that the Orchestra is named Indigenous Instruments AND New Technologies is because we are children of the 21st century, we have a tradition, but at the same time we have modern tools, that we can use.” Solche Sätze sind es, die, wenn man sie sich später anhört und dann einfach so mitschreibt, Herrn Rossi als einen Public Relations Profi ausweisen. Klare Ansagen, runde Sätze mit Bildern, unter denen man sich etwas vorstellen kann. Ich füge sie zusammen, falle todmüde ins Bett und erfahre am nächsten Tag, dass es ein Missverständnis gegeben und ein anderer Reporter der Jakarta Post schon für die Berichterstattung des Abends eingeplant gewesen wäre, dessen Artikel nun leider der Vorrang gegeben werden müsse.

Ein Public Relations Profi ist auch der britische Botschafter, der den versammelten Journalisten verkaufen will, dass die Einführung biometrischer Pässe nicht nur kein Problem, sondern eine ganz großartige Erleichterung für jeden sei, der „the greatest capital in the world“ oder eine „of the greatest universitites in the world“ besuchen will. Der schicken Pressemappe mit dem Union Jack entnehme ich, dass ich vor Identitätsdiebstahl geschützt werden soll, dass ich ab nun sicher sein könne, dass niemand unter meinem Namen nach England einreisen würde und dass mit Hilfe der gescannten Fingerabdrücke schon drei falsche Asylbewerber entlarvt werden konnten. Ich sitze da, denke „ihr verlogenen Schweine“ und überlege mir aggressive Fragen. Warum England weltweit vorprescht mit der Einführung biometrischer Pässe. Ob sich England besonders bedroht fühle von Asylbewerbern. Ob Identitätsdiebstahl tatsächlich eine so gravierendes Problem für Lieschen Müller aus Indonesien oder anderswo darstellt. Wem denn mit Hilfe der biometrischen Daten die Einreise verweigert werden würde. Public Relations Profi auch er, merkt Mark Date, dass ich nicht glücklich bin mit den Alles-so-schön-bunt-hier-Broschüren der Pressemappe. Mark Date ist der smarte „Entrance Clearance Manager“, der neben mir steht und unumwunden zugibt, dass er meine Notizen mitgelesen hätte. Ob er mir vielleicht mit ein paar Antworten zur Verfügung stehen könne. Das erste Mal führe ich ein Interview mit Wut im Bauch und auch mit dem Verfolgungswahn, ob er mich nur wegfangen will, bevor ich diese Fragen in der öffentlichen Pressekonferenz stellen kann. Er balanciert mit langen soliden Sätzen um jede Falle herum. Allerdings tut er mir den Gefallen und sagt “Immigration as a whole is there because you do need to protect your borders as such. But it is also there to try and make sure that we do have the right people going in.” Ich frage ihn, was denn “the right people” sind. “People that we want to do business with. People who invest in the UK, adding to its economy, helping our economy grow as much as any other country would do.” So Freundchen, und das wirst du morgen in der Zeitung lesen und dann kriegst du Ärger mit deinem Vorgesetzen, denke ich, noch nicht wissend, dass diese Zeitung mein ganzes Kunstwerk einer zwischen den Nachrichtenzeilen geschriebenen Polemik unbekümmert wegkürzen wird. Am nächsten Tag lese ich in meinem Artikel, dass der britische Botschafter alle Indonesier herzlich einlädt, nach England zu kommen, und dass die Prozedur der Fingerabdrücke und des digitalen Fotos kaum Zeit in Anspruch nehmen und keine zusätzlichen Kosten verursachen würde. Nicht einmal das subtile Prunkstück, wie der Botschafter die blaue und rote Schleife der Fingerabdrucksbox durchschnitt und dabei sagte „You see, nothing happens to me and nothing will happen to you“ haben sie mir drin gelassen. 1:0 für Mark Date, den Public Relation Profi, der vielleicht schon wusste, dass solche Sätze dann doch nicht in der Zeitung stehen.

Tags: On the Road

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