Pulau Seribu. Tausend Inseln. Mit
halb geschlossenen Augen sitze ich im Heck des Motorboots und schaue in die
schon um acht Uhr morgens auf die Wasseroberfläche brennende Sonne. Links neben
mir schläft ein indonesischer Bootsmann auf
Nylon- und Leinentaschen, seine Finger liegen weich über dem Gesicht und
zeigen gen Himmel und Sonne. Rechts schläft Agnes, die holländische
Klimacampaignerin, mit der ich dieses Mal dem Imperativ des Wochenendes – raus
aus Jakarta! – folge. Diesen Imperativ kann man buchen. In Ancol, dem Hafen
Jakartas, haben die kleinen Reisebüros begriffen, wie dringend die in Jakarta
arbeitenden Ausländer Luft und Sonne zu bedürfen scheinen und verkaufen die
tausend kleinen Inseln der Westküste all inclusive am Stück: Überfahrt, Mittag,
Kaffee, Abendessen, Übernachtung, Frühstück, Mittag, Überfahrt. Sind das nun
meine Bedürfnisse, herzlichen Glückwunsch.
Aber schon zwei Stunden allein vor
sich hin übers Wasser stieren, tut wohl. Und dann tauchen die Inseln an den
Horizonten auf, die ich immer für Computeranimationen gehalten hatte: weißer
Sand, Palmen, blaue Himmel rechts, links, oben, unten. Später wird ein
Engländer mit ungünstig gefärbten Haaren und ungünstig kermitgrünem
Taucheranzug frenetisch auf eine Wolke zeigen und fünfmal sagen „this ist the
first cloud I have seen in weeks“.
Aber da sind wir schon auf Sepa,
der letzten und kleinsten der Inseln, die das Motorboot anfährt, und ich habe
mich schon fast wieder beruhigt über die Farben, die ein Meer und ein Himmel
und ein Strand und die Bäume haben können. Zu Fuß ist man in zwanzig Minuten um
die ganze Insel herumgewandert: Palmen, mit roten, grünen und braunen Blättern,
getarnte schwarze Vögel, die, wenn sie mit ganz hellem Gesang gen Himmel
aufsteigen plötzlich ein strahlend gelbes Gefieder entblößen. Ein
herumstapfender Drachen oder zumindest Riesensalamander, kleine Bungalows mit
nassen Handtüchern davor. I
would not have thought that places like this existed, sage ich zu Agnes, als
wir ganz alleine im Sand liegen, die Füße in warmem türkisfarbenem Wasser,
maybe as mousepads, but not for real. Weniger aufgeregt und seufzt Agnes
nur, dass sie glücklich sei, endlich aus dem Büro raus zu sein und sie es zu
schätzen wisse, dass ich nicht von morgens bis abends über Greenpeace reden
würde. Aus der ganzen Welt ist mittlerweile die Belegschaft eingeflogen, die
bis zur im Dezember in Bali stattfindenden Klimakonferenz ununterbrochen
arbeiten wird. I feel almost
bad that I am not working, sagt Agnes, but what is the point working in another
country if you stay in the stupid office all the time. Sind das die
beiden Modelle für im Ausland arbeiten, frage ich mich, entweder rund um die
Uhr schuften, weil man ja ohnehin irgendwo auf der Welt sein könnte und bald
wieder weg sein wird, höchstens gönnerhaft Bitte und Danke in der Landessprache
sagen zu können und zwei Stunden vor Abflug schnell hundert illegal gebrannte
DVDs zu kaufen, weil die ja hier so billig sind. Oder am Wochenende Erholung zu
kaufen, um die Woche in der brüllenden Stadt bestehen zu können und auch hier
das alltägliche Leben verfehlen.
Wir suchen also Muscheln und schneiden
uns die Füße auf am Korallenriff, wir machen Photos im Bikini unter Palmen, lesen
uns dabei die Wettervorhersagen für Amsterdam und Frankfurt vor und trinken abends
nach Stromausfall Bier auf dem Holzsteg. Auf einer kleinen Bühne spielt seit
dem Abendessen eine Band, fast allein, denn außer einer Runde wie verrückt
Karten spielender Asiaten ist niemand da. Als uns die schöne Sängerin anlacht
und zum Tanzen auffordert, schauen wir uns an, trinken den letzten Schluck Bier
und tanzen dann mit nackten Füßen auf der gekachelten Fläche. Red, red wine und
Baby, light my fire und Azzuro, von den indonesischen Musikern mit Grandezza
und doch ganz ernst bewältigt. Zwei Japanerinnen kommen herangetrippelt und zu
viert tanzen wir bis auch der Notfallgenerator nicht mehr tut, die schöne
Sängerin im Stockdunkeln lacht und sich eine Zigarette ansteckt. Von Palme zu
Palme tasten wir uns zu unserem Bungalow, enervierend vorhersehbar schreie ich
schon wieder bei der im Licht des Handydisplays im Bad ansichtig werdenden
Kakerlake. Salzwasser- und schweißverklebt mit schwarzen Fußsohlen ins Bett.