Jetzt, da allerorten die Wochen und Tage bis zum Christfest gezählt
werden, in der Innenstadt Engel schweben und Sterne leuchten, da es auf den
pünktlich installierten Märkten von A wie Anis bis Z wie Zimt nach allem Möglichen
duftet und sich allmählich, spätestens aber wenn die Geschenke beisammen sind,
Besinnlichkeit breitmacht – ist davon in Shihezi, China, natürlich rein gar
nichts zu sehen und spüren.
Gut möglich, dass man in Peking, Shanghai, Chongqing, Tianjin
oder Qingdao zum Fest der Feste besser präpariert ist, dass dort
Adventskalender, Christstollen und Weihnachtskrippen aus Bethlehem feilgeboten
werden. Denn wo es, wie in Shanghai, ein Oktoberfest gibt, müsste doch auch so ein
Weihnachtsmarkt auf die Beine zu stellen sein.
Wirklich nötig wäre das aber nicht, hat China doch Feiertage
genug. Zwei Neujahrsfeste beispielsweise, eines am 01. 01. und – dem
chinesischen Mondkalender folgend – ein zweites im Januar/Februar, Frühlings-
oder Neujahrsfest geheissen, von der Bedeutung her etwa mit dem westlichen
Weihnachten vergleichbar. Weiter das Qīngmíng-Fest zum Gedenken der Ahnen im
April, der erste Mai, das Drachenbootfest im Juni, das Mond- oder Mittherbstfest
im September und der Nationalfeiertag natürlich, am ersten Oktober. Während
dieser Feste, die mal einen Tag, mal drei, aber auch, wie das Frühlingsfest,
eine ganze Woche oder zwei in Anspruch nehmen, hat ein Grossteil der Bevölkerung
frei. Das äussert sich dann unter anderem so, dass zum chinesischen Neujahrsfest
in den Zügen hierzulande etwa 230 Millionen Menschen unterwegs sind (wer sich
noch an meine nächtliche Zugreise nach Yining erinnert, wird verstehen, dass
ich da nicht unbedingt dabei sein muss).
Zu diesen allgemeinen Feiertagen kommen noch eine Reihe von
solchen, die aus sofort einsehbaren Gründen nicht für alle gelten können. Etwa
der Kindertag, der Jugendtag, der Frauentag usw., deren Früchte (ein halber
oder ganzer Tag frei) dann halt jeweils nur die ernten, die gemeint sind; ebenso
am Geister-, Singles- und Lehrertag, wobei deren Protagonisten (also Geister,
Singles und Lehrer), dann schon keine verbrieften Rechte mehr beanspruchen
können. Was nicht heissen soll, dass z.B. so ein Lehrertag (am 10. September)
nicht sehr ernst genommen würde. Meine Studenten beispielsweise liessen es sich
nicht nehmen, ein opulentes Abendessen in einem Restaurant zu organisieren, wo
ich dann reich beschenkt wurde und man versuchte, mich betrunken zu machen. Wer
als Lehrer oder Lehrerin einmal das Gefühl haben will die wichtigste und
wertvollste Person auf Erden zu sein, sollte um den Spätsommer herum nach China
kommen, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, versteht sich.
Hab ich einen wichtigen Feiertag vergessen? Bestimmt, man
kann in dieser Sache leicht mal den Überblick verlieren. Zumal China ja auch
noch 56 Minderheiten hat, die ihre zusätzlichen (und peinlich genau
eingehaltenen) Fest- und Feiertage haben, in Xinjiang hauptsächlich Uiguren,
und ich muss sagen, dass ich um die muslimischen Feste herum stets etwas missmutig
einherging, musste ich dann doch, z.B. während des Ramadan und des Opferfestes, auf
das köstliche Nan, auf offenwarme Brötchen und auf Lammspiesse verzichten.
Unnötig zu sagen, dass an den meisten Feiertagen und zu
allen traditionellen Festen bestimmte Speisen vorbereitet und dann gemeinsam,
am liebsten im Kreis der Familie, genossen werden. Einem Fremden wie mir will
es sogar scheinen, dass z. B. die Klebreisklösse (Zòngzi) beim Drachenbootfest
oder die zahlreichen, süssen wie salzigen Mondküchlein anlässlich des
Mitherbst- und Mondfestes in Wahrheit die Hauptsache des Festwesens sind, war
dies doch immer das erste (meinetwegen zweite), was ich zu hören bekam: Morgen
ist das Sowieso -Fest, dann essen wir immer …
http://de.wikipedia.org/wiki/Mondkuchen