«Aber da essen sie
Hunde!», bekam ich vor der Abreise unter
anderem zu hören und das geradezu entrüstet, im «Wie
kannst du nur»-Ton. Inzwischen kann ich
das bestätigen, also dass in China auch Hundefleisch gegessen wird, ohne
allerdings selbst die Erfahrung gemacht zu haben; jedenfalls soviel ich weiss.
Dennoch und selbst auf die Gefahr hin mich tüchtig in die
Nesseln zu setzen, konnte ich die Entrüstung nicht ganz nachvollziehen, handelt
es sich doch bei der Entscheidung, welche Tiere man schlachtet und isst, um
eine gesellschaftliche Übereinkunft, nach der man im Westen Hunde als
Begleiter, Freunde und je nachdem Schosstiere betrachtet und sich weitgehend darin
einig ist, dass man seine Begleiter, Freunde und Schosstiere nicht aufisst.
In China scheint es aber durchaus möglich zu sein, Hunde
einerseits als Fleischlieferanten zu betrachten und andererseits als Gefährten
des Menschen, wobei ich hier die ungefähr selbe Tierliebe beobachte wie in
Europa. Man spielt mit Hunden, man spricht mit ihnen, sie werden gestreichelt
und geknuddelt; manchmal, wenn es sich um Streuner handelt, aber auch mit
Fusstritten oder Steinen verjagt.
Und sie werden auf Märkten verkauft, als mehr oder weniger
lebendige Tiere. An einem kühlen, grauen, regnerischen Sonntagvormittag war es,
als ich in Shihezi einen solchen Markt besuchte, der auf einem Gelände etwas ausserhalb
der Stadt regelmässig stattfindet. Dieser Markt wird mir wohl als etwas vom Traurigsten
in Erinnerung bleiben, was ich hier gesehen habe. Die grossen und kleinen,
teils verwahrlosten Hunde, die hier in Käfigen, auf Dreiradpritschen oder an
einem Baum festgebunden auf ihre Käufer warteten; die Männer, die in Gruppen
vor den Hunden, Katzen, Tauben, Ziervögeln und –fischen standen und das Angebot
tatsächlich in einer Art betrachteten und prüften, als wäre es nur Fleisch.
Einmal sah ich einen Mann, der Welpen verkaufte. Die waren,
ein Dutzend etwa, in einer viel zu kleinen Kartonschachtel zusammengepfercht,
und jedes Mal wenn eines der arglosen Kleinen Anstalten machte, aus dem Karton
heraus über den Rand zu lugen, kriegte es mit dem Handrücken eins auf den
Deckel. «Was für ein böser und roher
Mensch du doch bist», dachte ich da und
heute tut es mir Leid, dass ich dem Mann nicht wenigstens auf Deutsch meine
Meinung gesagt habe.
Ob die Hunde dort nun für Haus und Hof oder nur für die Küche
bestimmt waren, weiss ich nicht, und auch meine Begleiter konnten das nicht mit
Bestimmtheit sagen. Wollen wir hoffen, dass Ersteres zutraf. Und den kühlen
Befund von vorhin (den nämlich, dass die Entscheidung Hundefleisch zu essen
kulturell und nicht moralisch zu betrachten sei) muss ich vielleicht doch noch
einmal überdenken. Aus ganz pragmatischen Gründen. Weil nämlich ein Tier, das
nicht nur als Fleisch betrachtet wird, viel bessere Chancen hat einigermassen anständig
behandelt zu werden, weil Schlachttiere (weiss Gott nicht nur in China)
bekanntlich unter teils miserablen Umständen gehalten werden.
Es soll übrigens ein chinesisches Sprichwort geben, das
sagt, man könne jedes Tier essen, dessen Rücken zur Sonne zeige. Aber muss man
das auch? Also ich nicht.
PS Die
Wahrscheinlichkeit, dass ich unwissentlich Hundefleisch gegessen habe, ist eher
gering. Es wird erstens in Südchina bevorzugt und gilt zweitens als Delikatesse
und/oder sehr gesund (wärmend). Was natürlich seinen Preis hat und wenigstens
mit den Preisen kenne ich mich inzwischen einigermassen aus.