Was Wohlgerüche oder solche der üblen Art angeht, bin ich
hier in einer wenig aufregenden Umgebung, in einer Brache geradezu, wo meiner
Langnase kaum was Bemerkenswertes zugetragen wird. Mit einer Ausnahme, dem «Stinkenden
Tofu», von dem seinerzeit, als es ums Kino in Shihezi ging, schon die Rede war.
Ich habe ihn bei dieser Gelegenheit dem Horrorfilmgenre zugerechnet und bleibe
dabei.
Von Peking ist mir Rauch in Erinnerung, wie im Herbst
(obwohl es Mitte Februar war), Dunst, Nebel, kurzum Smog. Und als ob es damit
nicht genug gewesen wäre, wurden auch Tage nach dem chinesischen Neujahrsfest
noch Raketen in den Pekinger Nachthimmel gefeuert, wurden zu jeder Tages- und
Nachtzeit Böller und Kracher entzündet. Von Peking her ist meiner Nase also noch
Schwarzpulver in Erinnerung, Kohle und Schwefel, wobei mir besonders letzteres
Element sehr passend zu sein scheint. Der Himmel war nämlich meist
schwefelgelb.
In Shihezi (wo die Luft im Vergleich zu jener der Hauptstadt
Kurort-Qualität hat, sich mit Beginn der Heizsaison – Kohlekraftwerke, vermute
ich – aber auch wieder verschlechtert) waren es dann und wann Blumen, die was
zu riechen gaben, Lavendel beispielsweise, der in Rabatten längs der Strassen
seinen Geruch verströmte. Oder die Rosen, unmittelbar vor eine Gas-Tankstation
gigantischen Ausmasses gepflanzt (die Mehrzahl der Autos fährt hier mit Gas,
sodass der ansonsten übliche städtische Abgasgestank auch entfällt), die tagsüber
von einer kilometerlangen Schlange roter und grüner Santana-Taxis belagert
wurde … während in der Nacht, wenn ich auf meinem Nachhauseweg an der nun
ausgestorbenen Tankstelle vorbeikam, die Rosen das Regiment übernommen hatten.
Ansonsten olfaktorisch kaum was Nennenswertes, auch die
Menschen riechen nicht, ist es hier (das war mir schon in Peking aufgefallen)
doch nicht Brauch, sich mit Pafümwolken zu umgeben und Haare mit geruchlich
nicht minder aufdringlichem Gel zu beschweren. Was anfangs eine sehr wohltuende
Entlastung darstellte, mit der Zeit aber (der Mensch ist ja praktisch nie mit
dem zufrieden, was er gerade hat) als eintönig empfunden wird, sodass man sich
allmählich nach anregenden Gerüchen zu sehnen beginnt und – wie es mir neulich
in einem Lokal widerfuhr – durch die frisch gewaschenen, luftig duftigen Haare
einer Frau am Nebentisch von Dankbarkeit erfüllt und von Glücksgefühlen
überflutet wird.
Nur beim Essen geizt China mit Gerüchen nicht, hier kriegt
die Nase ordentlich was zu tun; wenn Gemüse, Fleisch und Fisch gebraten werden,
wenn Ingwer, Koriander, Knoblauch … Zitronenpfeffer und Kreuzkümmel aus
dampfenden Töpfen aufsteigen, wenn Saucen und Suppen stundenlang vor sich
hinkochen oder in Garküchen mit Teigfladen, frittierten Fleisch-, Fisch- und
Wurstspiessen, mit Maiskolben, Maronen und Süsskartoffeln hantiert wird, die Nudelgerichte
nicht zu vergessen und den Gemüsereis mit Lammhaxen – für wahrscheinlicher
hielte ich es, dass man vom Weltraum aus, statt der Chinesischen Mauer, eine
Bratfettwolke gewaltigen Ausmasses über dem Mittereich sehen könnte.
Beim «Stinkenden Tofu» aber («chòudòufu») fehlen mir die
Worte. Es ist ja auch wirklich schwer Gerüche (oder eben Gestank) zu
beschreiben, weshalb man sich gewöhnlich in Annäherungen und Vergleichen
ergeht. Wenn ich es genau bedenke, ist «Annäherung» in diesem Zusammenhang jedoch
der kreuzfalsche Begriff, verbreiten diese vergorenen Sojabohnenklumpen und
-blöcke, so sie den (nicht ohne Grund) luftdicht verschliessbaren Plastikboxen
entnommen wurden, augenblicklich einen höchst unangenehmen, kilometerweit
wahrnehmbaren Geruch, der, wie soll ich sagen … wie nichts anderes stinkt, was
eine Nase je am liebsten nicht gerochen hätte.
Dieser als Spezialität geltende und aus der Provinz Hunan
stammende Tofu verdankt seinen speziellen Geruch einer Gemüse- und Fischlake,
in der er wer weiss wie lange schwamm, und das ist vielleicht die Spur, Fisch …
und die Rinde gewisser Käsesorten, nach deren Berührung man sich sofort die
Hände waschen will … fauler Fisch und schmieriger, alter Käse, vielleicht kommt
man ihm damit recht nahe, dem «chòu» («stinken») «dòufu» («Tofu»),
von dem ich – man mag das Feigheit nennen – leider keine direkte Ansicht
liefern kann, nur diesen Stand, wo er verkauft wird.
PS Auf dem Stand
unten links – so erklärte mir eine aus Hunan stammende Studentin – steht etwas
über Mao Tsetung geschrieben (dessen Heimat auch Hunan war), und zwar, dass er,
der «chòudòufu», sein Leibgericht war.