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Alltag Alltag in China (Peking - Shihezi, Xinjiang)

Mut (Feuertopf)

CHINA | Sunday, 30 October 2011 | Views [873] | Comments [1]

Manchmal braucht es Mut in China und je nachdem nicht nur ein Quäntchen, sondern eine tüchtige Portion. So wie vor Monaten, als ich in Shihezi ein Lokal betrat, in dem ganz offensichtlich nur Gruppen versammelt waren, um Tische, mit denen etwas nicht stimmte. Und das war dann der Moment, da ich, wäre ich wirklich mutig gewesen, wieder hätte umkehren sollen, obwohl mich eine resolute Bedienung schon zu einem dieser Tische führte, in deren Mitte ein Loch klaffte. Und in dem lauerte ein mächtiger Gasbrenner auf seinen Einsatz.

Der kam auch sogleich, von der Resoluten en passant ins Werk gesetzt, mit einem «Bou» sprang der Brenner an. Dann wurde ein Yin/Yang-mässig zweigeteilter Topf auf die Feuerstelle gesetzt, der auf der einen Seite eine blutrote, höllisch scharf aussehende Flüssigkeit enthielt, auf der anderen eine Brühe, in der grob geschnittene Gemüsestücke schwammen. Beide Flüssigkeiten begannen, durch die Kraft des Feuers animiert, sofort zu blubbern. Und dann bemerkte ich auch endlich die gut 20 Liter fassende, eigentlich unübersehbare Gasflasche direkt unter jedem Tisch.

Wenn man, wie ich damals, etwas eingeschüchtert ist und nicht weiter weiss, sieht man sich am besten ein wenig um. Den anderen Gästen schien es prächtig zu gehen. Sie sassen fröhlich schwatzend um ihre Feuerstellen, präparierten Holzspiesse mit Tofu, Fleisch, Würsten und Fisch, mit Kartoffeln, Kohl, Kraut und Kräutern (rafften und rupften, schnitzten, schnitten und spiessten) oder holten sich aus einem Kühlregal fixfertige Holzstecken, die dann in die dampfenden, wogenden und leider auch tückisch spritzenden Brühen versenkt wurden … bis gar war, was schmatzend verspeist werden sollte.

Mich liessen derweil diese Gasbehälter unter den Tischen nicht los (ob es in China wohl eine Art TÜV gibt, der die Installationen in Feuertopfrestaurants regelmässig überprüft?), umso mehr, weil beim Essen munter geraucht und gebechert wurde und einmal eine schon deutlich angetrunkene Frau in einer exaltierten Runde ein Glas Báijiŭ (Schnaps) umstiess, worauf ein Dicker am Tisch, der mir schon ganz hinüber zu sein schien, überraschend behände abtauchte und offenbar die Gaszufuhr abdrehte.

Dass ich schliesslich eher pflichtschuldig meine paar Spiesschen in die unheimlichen Brühen tunkte, mich dann jedoch rasch dem vertrauten Yanjing-Bier zuwendete (dazu aber aus nahe liegenden, das heisst, eigentlich unter dem Tisch stehenden Gründen auf die obligate Selbstgedrehte verzichtete), dass ich zusah, dieses teuflische Lokal, in dem ich mich nicht nur speziell einsam, sondern auch an Leib und Leben bedroht fühlte, alsbald zu verlassen … wird man vielleicht verstehen und mir nicht als Feigheit vor dem Feuertopf auslegen.

 

PS   Inzwischen besuchte ich, jeweils in Begleitung von Studenten, zwei weitere Restaurants dieser Art, ungleich grössere, das eine muss weit über hundert Gästen Platz geboten haben (der Geräuschpegel in einem Lokal in China ist übrigens mit jenem in deutschen oder schweizerischen Gaststätten nicht zu vergleichen; es geht recht lebendig zu hier, also geräuschvoll, das heisst, manchmal ohrenbetäubend). Dank meinen Begleitern, die sich wie immer liebevoll um mich kümmerten, dank ihrer Hinweise und Ratschläge und weil sie einfach da waren, wurden das richtig schöne Abende. Nie allein zum huǒguō, hotpot, Feuertopf!

Comments

1

Vieleicht kam die Inspiration des Berichtes aus dem Essen ,dass du mit Zhaobin und andere nach der Konversation zusammen warst ! Oder? aber leider verstand ich nur die Hälfte ,machdem ich den genau durchgelesen hatte.Zu schwer°°°°°°

  Daiyidui Jan 21, 2012 6:13 AM

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