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Alltag Alltag in China (Peking - Shihezi, Xinjiang)

Deutschland

CHINA | Monday, 29 August 2011 | Views [448]

Denkt man in China an Deutschland, dann meist mit Ehrfurcht, Bewunderung oder wenigstens Respekt. Seiner Dichter und Denker, seiner Komponisten und Erfinder wegen, weil die Deutschen mit Bier und Bundesliga, Mercedes und VW in Verbindung gebracht werden und all dies nun eben für ein hohes Ansehen sorgt. An dem auch ein Deutschlehrer hier teilhat, selbst wenn er Schweizer ist. Schliesslich sind die einen wie die anderen bekannt für Qualitätsarbeit, Präzision, technisches Verständnis und ihre nimmermüden Tüftler, für ausgezeichnete Planung, Organisation … und was der Klischees mehr sind.

Zum positiven Deutschland-Bild in China trägt möglicherweise auch ein Umstand bei, der auf den ersten Blick so positiv gar nicht erscheinen will. Und zwar die deutsche Besetzung Qingdaos vor über 110 Jahren, als unter Kaiser Wilhelm II Kriegsschiffe ins Gelbe Meer entsandt wurden, die China vom Nutzen bzw. der Notwendigkeit eines Pachtvertrags überzeugen sollten; der 1896 schliesslich auch auf 99 Jahre abgeschlossen wurde. Es waren dann zwar nur 17, aber Zeit genug, in Qingdao einige Gebäude in deutschem Baustil zu hinterlassen, Wasser- und Stromsversorgung und nicht zuletzt eine Brauerei, die – inzwischen natürlich längst chinesisch bzw. multinational geworden – das weit herum bekannte «Tsingtao» Bier produziert. Dass den Deutschen aber trotz ihrer (damals allgemein üblichen) Kanonenbootpolitik ein gutes Andenken bewahrt wird, hat nicht nur mit Bier, den immer noch funktionierenden Wasserleitungen, zwei Kirchen und einigen hübschen Villen zu tun – sondern auch damit, dass nach den Deutschen die Japaner kamen, diese als grösseres Übel empfunden wurden und man somit das kleinere zu schätzen und in guter Erinnerung zu halten wusste.

Wenn ich in der Mensa esse, setzt sich manchmal, trotz ausreichend freier Tische ringsumher, jemand extra mir gegenüber. Ich weiss inzwischen warum, es geht – anfangs gab ich mich besonders bei ausnehmend hübschen Studentinnen da noch gewissen Illusionen hin – ums Englisch Üben. Was gern recht offensiv mit der Eröffnung «I want to make friends with you» beginnt, und dann kommen die Fragen. Woher ich komme, was ich hier tue, wie mir China gefällt, ob ich verheiratet bin, Kinder habe usw. Einmal waren es zwei schüchterne Studenten, die mir gegenüber Platz nahmen und erst einmal kein Wort herausbrachten. Also assen wir schweigend. Irgendwann eröffnete dann halt ich die Konversation. Aber gleich bei meinem Beruf, «teacher for German», zeigte sich, dass die zwei weder mit «German» noch «Germany» etwas anzufangen wussten, sei es, weil ihnen diese Vokabel fehlte oder weil sie Europas Zugpferd tatsächlich nicht kennen (man erhebe sich nun aber nicht über zwanzigjährige chinesische Studenten, sondern frage sich besser, wie viel man in diesem Alter über irgendein Land in Afrika, Asien oder über das grosse China, seine Geschichte und Kultur, seine Dynastien und Provinzen, seine Künstler und Gelehrten wusste … und gebe ruhig zu, dass es heute kaum mehr ist).

Trotzdem und weil man als Lehrer geradezu trainiert ist, sich verständlich zu machen: ich probierte es. Probierte es mit Audi, BMW, Mercedes und VW. Probierte es mit Kahn, Schweinsteiger und Podolski. Mit Marx, Kant und Nietzsche. Dachte in meiner Verzweiflung schon an Hitler (den hier, so meine Erfahrung, eigentlich jeder kennt). Aber weil ich es bescheuert finde mit Hitler zu kommen, wenn einem sonst nichts mehr einfällt, liess ich das.

„Actually I’m Swiss, Switzerland, you know“, sagte ich da in meiner Not. Abermals kein Zeichen des Verstehens. „Wǒ shì ruìshì“, versuchte ich es andersrum (wiewohl ich erfahrungsgemäss in meine Aussprache kein Vertrauen setzen kann) und zeigte dabei mehrmals auf meine Armbanduhr, „our watches are famous“. Worauf sich die zwei, meine verzweifelte Geste offenbar anders auffassend, sofort erhoben, sich für das nette Gespräch bedankten und (womöglich erleichtert) gingen.

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