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Alltag Alltag in China (Peking - Shihezi, Xinjiang)

Spott

CHINA | Wednesday, 6 July 2011 | Views [387]

Man erwarte hier nicht von mir, dass ich Spass oder gar Spott mit meinem Gastland treibe und mich über Chinesen lustig mache; das gehört sich nicht. Was aber den umgekehrten Fall betrifft, also da habe ich so meine Vermutungen. Die stützen sich auf tägliche Erfahrung, wie man auf mich zeigt, dabei tuschelt, kichert, lacht usw. Manchmal werde ich auch direkt auf meine Schrullen angesprochen.

Beispielsweise in der Frage, warum ich mir beim Fahrradfahren die Hosenbeine hochkremple. Das wollte ein junger Mann von mir wissen, nicht ohne vorauszuschicken, dass er sich in dieser Sache schon mit einer Freundin beraten und nun all seinen Mut zusammengenommen habe, es handle sich womöglich ja um eine sehr persönliche Frage. In ähnlicher Weise näherte man sich mir in einer anderen Angelegenheit, dabei vom Allgemeinen zum Besonderen, also deduktiv vorgehend. Wie es komme, fragte man mich, dass wir «foreigners» (und ganz besonders die Lehrer unter ihnen) stets einen Rucksack trügen, selbst dann, wenn wir nur eben mal einen Kaffee trinken gehen.

Mit anderen Worten, und ich muss es so hart ausdrücken: meine Integrationsbemühungen sind gescheitert. Da hilft es auch nicht viel, dass ich inzwischen ganz geschickt mit Essstäbchen umgehe (freilich auf meine eigene Art) und jetzt auch Chinesisch-Unterricht nehme (vier Stunden bisher, die ersten zwei gingen für die Aussprache drauf) – wenn man sich schon über meinen Rucksack und die hochgekrempelten Hosenbeine lustig macht, dann darf ich mir, als Laowai, nicht nur der allgemeinen Aufmerksamkeit sicher sein, sondern stehe gewissermassen unter spezieller Beobachtung.

Gestern habe ich auf CCTV1 eine Show gesehen, in der eine Chinesin und ein Chinese mittleren Alters ihre Spässe mit einem jungen Westler trieben. Der war recht gross, trug eine Dreiviertelhose, Sportschuhe und ein bunt gemustertes T-Shirt. Am auffälligsten aber war sein gut gefüllter Rucksack, der den, ich vermute mal, US-Amerikaner («Měiguórén»; man hält mich der Einfachheit halber auch meist für einen) zu einer gebeugten Haltung zwang, die von den zwei Chinesen wiederholt imitiert wurde. Lachsalven im Publikum. Auch bei gewissen sprachlichen Missverständnissen, wobei der junge Mann in etwa das tat, was ich auch tue, wenn ich angesprochen werde: nichts verstehen und dann wiederholen, was man gehört, aber eben nicht verstanden hat. Die Stimmung im Studio kocht über.

Wenn der Rucksack auf dem Laowai-Rücken bereits derart im chinesischen Bewusstsein verankert ist – dachte ich, nachdem ich mir das ein paar Minuten lang angesehen hatte – sollte ich wohl auf eine Umhängetasche umsatteln. Und genau so eine werde ich mir, das ist kein Spass, morgen kaufen gehen.

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