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Alltag Alltag in China (Peking - Shihezi, Xinjiang)

Sommerfreuden

CHINA | Wednesday, 29 June 2011 | Views [370] | Comments [2]

Der Sommer ist da und zeigt seine Muskeln, macht aber – jedenfalls hier, in Shihezi – noch keine Anstalten die 40 Grad zu stemmen. Es ist auch so heiss genug, schon vergessen die grimmige Kälte nebst dem überreichlichen Schnee vor drei, vier Monaten, und dass bereits im Oktober wieder mit Minusgraden zu rechnen ist … daran wollen wir lieber nicht denken.

Der Sommer ist da und bringt eine erstaunliche Varietät von Schirmen in allen femininen Farben. Meist jüngere Chinesinnen begeben sich unter diese hübsch anzusehenden, teils reichlich verzierten und an allerraffinierteste Dessousmode erinnernden Schilde, auch bei bewölktem Himmel, auf jeden Fall aber da, wo die Sonne, auch nur punktweise, hinreicht. «Wir sind nämlich schon gelb und wollen keinesfalls braun werden.», erklärte man mir sinngemäss diese weit verbreitete Sitte. Und die Angst vor sonnengebräunter Haut scheint so weit zu gehen, dass Chinesinnen, wo sie aus dem Schutz und Schatten von Bäumen oder Gebäuden treten – und sei es nur, um eine Strasse zu überqueren – reflexartig ihr Gesicht schützen, mit allem, was, so kein Schirm zur Stelle, gerade zur Hand ist: eine Flasche Grüntee, ein Deutschbuch, ein neckisches Handtäschchen. 

Der Sommer ist da und mit ihm auch Mengen von Wasser. Ich meine die unzähligen Rasensprenger jeder Grösse und Gestalt, die in den Rabatten und Parks ihr Wesen und Unwesen treiben, harmlose Spaziergänger ins Kreuzfeuer nehmen und manchmal regelrecht ausser Kontrolle geraten, dann wie ein Wasser speiendes Rumpelstilzchen auf Grasflächen herumtollen, -zucken und -zappeln.

Neulich im Park, ich sass auf einer sicheren Bank und hatte eine Rasensprenger-Stellung im Blick, die es nach meiner Einschätzung unmöglich machte, auf direktem Weg trocken zum Park-Ausgang zu gelangen. Da näherte sich eine Gruppe von Rentnern, die vor den feindlichen Linien erst einmal haltmachte, deren Stärke abzuschätzen schien und beratschlagte. «Mal sehen, was die jetzt machen.», dachte ich. Jetzt muss man nur noch wissen, dass Chinesen ungern Umwege in Kauf nehmen (sondern ganz im Gegenteil eine grosse Vorliebe für Abkürzungen hegen), um die Spannung zu verstehen, die mich ergriff, eine fiebrige Erwartung, die ich mir freilich nicht anmerken liess (ich gab vor, meinem Mobiltelefon wichtige Nachrichten zu entnehmen). 

Ach, was gibt es Schöneres als über 70-jährige laufen und lachen zu sehen, die kindlichen Schreie von (überraschend behänden) Gross- oder schon Urgrossmüttern zu vernehmen und alle – aber sie wussten das, es war Teil des Spiels – am Ende nass gespritzt zu sehen. Alle, bis auf einen, ausgerechnet den einzigen, der am Stock ging. Wie dieser grosse, massige Alte erst einmal die taktische Ausrichtung der tückischen Wasserkanonen studierte, sich die Zeitintervalle einzuprägen schien und dann unerschrocken losmarschierte, da und dort wohlüberlegte Stopps einlegte und schliesslich langsam aber sicher zum Ausgang gelangte … hatte meinen ganzen Respekt und freute mich sehr (zumal die bekanntlich grösste und schönste Freude ja schon zuvor befriedigt worden war).

Comments

1

...jetzt würd ich doch zu gerne wissen, wie du zum parkausgang gelangt bist... ;-) oder hast du dich in deiner schadenfreude etwa von vornherein gleich neben dem ausgang platziert?

  daniela Jun 29, 2011 11:05 PM

2

... auf Umwegen selbstverständlich, rück- und seitweitwärts; bin ich doch weder Chinese noch Rentner - noch nicht.

  ollo Jun 30, 2011 12:13 PM

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