Es war am selben Abend, als mir der «stinkende Tofu» zwar
nicht zum allerersten Mal begegnete, aber erstmals zweifelsfrei als solcher
identifiziert wurde, und obwohl das eine mit dem andern (auf den ersten Blick) nichts
zu tun hat – seit diesem Abend weiss ich auch, wo sich Shihezis einziges Kino versteckt.
Man betritt es über einen düsteren, heruntergekommenen
Hinterhof und Parkplatz, offenkundig eine Sackgasse. Sähe man das als Szene in
irgendeinem Film, würde man denken: «Geh da nicht rein!», aber der Held ist wie
immer ahnungslos und so geschieht, was geschehen muss. In unserem Fall eine
(sehr, sehr seltene) Wendung zum Besseren. Denn haben wir das einzige Kino der
Stadt auch über besagten Hinterhof und durch einen schäbigen Eingang betreten
(freilich nicht direkt, dazwischen ging es mit dem Aufzug in den vierten Stock)
– was uns oben erwartet, ist eine weite und glänzende Halle, ein
Multiplexpalast ersten Ranges, tatsächlich eine ganz andere Welt, in der einen
Pop Corn-Duft und Parfümwölkchen (nebst gelegentlich auch mächtigen -wolken)
empfangen; und Letzteres ist nach meiner Erfahrung nun wahrlich nicht
alltäglich hier.
Das Kino heisst denn auch ganz unbescheiden «Oscar», ist ein
Fünfstern-Filmtheater und damit berechtigt, «Pirates of the Caribbean IV» in 3
D zu zeigen, nebst «Kung Fu Panda» und vier Filmen aus heimischer Produktion.
Ein Angebot, das mich – wiewohl ich kinomässig schon ganz ausgehungert bin – eher
weniger reizt (einzig die Aussicht, Johnny Depp und Penelope Cruz Chinesisch
sprechen und fluchen zu hören, hätte etwas für sich gehabt; doch ist dem leider
nicht so).
So zehre ich halt von meinem eigenen Film-Schatz, dem Kino
im Kopf, das sich in einer cineastisch und übrigens auch literarisch
anregungsarmen Umgebung (ich habe, mangels Büchern, aufgehört zu lesen) immer
wieder mal einschaltet. Zum Beispiel, wenn ich daheim am Fenster stehe und zum
Nachbarhaus, zur Dachterrasse mit dem Taubenschlag hinaufschaue. Bis ich Forest
Whitaker in «Ghost Dog» sehen kann, wie er hoch oben, in einer Hütte über den Dächern der Stadt seine Tauben versorgt, sich in einer
Kampfkunst übt oder vor dem nächsten Auftragsmord einfach etwas ausruht.
Beinahe täglich fällt mir so angesichts irgendeiner Szene
irgendein Film ein. Darunter auch «Duell am Missouri», dieser Western mit Jack
Nicholson und Marlon Brando; mir unvergesslich die Momente, wenn sich Brando in
seiner Rolle als übergeschnappter Kopfgeldjäger in Frauenkleidern (mit einer Art
Schlafhaube auf dem Kopf) in der weiten Prärie niederlegt, und zwar mit den
Worten «Jetzt geht die müde Oma schlafen». Selbstverständlich musste ich
letzthin, etwas ausserhalb Shihezis und diesen Motorradfahrer vor mir, der
seinen eigenwilligem Kopfschutz mit der grössten Selbstverständlichkeit trug, an
jenen Film denken, an die 70er und Marlon Brando, der auf dem Filmset die Diva
gab. So umgibt man sich mit Bekannten.
Was nun aber den «stinkenden
Tofu» betrifft, so wäre der zweifellos
dem Horror- oder Katastrophenfilm-Genre zuzurechnen, von ihm (dem «Terror-Tofu», dem «Tofu
des Todes»), wird hier noch die Rede
sein.