Es war Anfang Februar dieses Jahres, da habe ich mir noch in
Deutschland die Haare schneiden lassen; wohl wissend, dass dies für lange Zeit
das letzte Mal war, da ich mich mühelos mit der Friseurin auf eine Frisur
verständigen konnte. In Zukunft, stellte ich mir vor, würde das auf Englisch
und/oder gestisch geschehen.
Es wurde März, es wurde April und meine Haare wuchsen. Es
wurde Mai, und bereits begann man mich auf meine, zumal für chinesische
Verhältnisse, Langhaarfrisur anzusprechen, mir vorsichtig nahe zu legen …, also
eigentlich nur festzuhalten, dass ich ganz am Anfang alles in allem besser
aussah, frisurmässig. Und so wuchsen mit den Haaren auch meine Sorgen. Ich
begann mich umzusehen (an Friseur-Salons herrscht in Shihezi wahrlich kein
Mangel), die chinesische Haarmode nun auch im Hinblick auf den eigenen Kopf zu
studieren, fing an herumzufragen, und die Antwort war einhellig: Ich würde hier
keinen Friseur finden, der Englisch versteht. Also wendete ich mich dem
chinesischen Vokabular zu, es wird doch wohl möglich sein, Ausdrücke wie
«Stufen», «2 cm», «nicht zu kurz» auch in dieser Sprache zu formulieren.
Bei meinen Recherchen bin ich auf leo.org dann auf folgenden
Beitrag gestossen: «Liebes Forum,ich muss heute mit meinen langen Haaren zum
Friseur und habe aufgrund diverser Horrorgeschichten und meinem fehlenden
Chinesisch jetzt schon Angst. Kann mir bitte jemand folgenden Satz auf Hanzi
schreiben und bitte nur diesen, da ich sonst heute Abend in Traenen ausbrechen
wuerde :-)
Ich moechte meine Haare nicht kuerzer haben, sondern wirklich nur Stufen rein
und GANZ wenig die Spitzen geschnitten haben. Mein Pony soll seitlich sein und
auch nicht sehr kurz. Meine Frisur soll einfach wieder etwas lebendig werden.
UND bitte nicht viel abschneiden. Sehr wichtig.»
«Nehmen wir», dachte ich, und kopierte eine lange Folge von
Hanzi-Zeichen. Die würde ich ausdrucken und dann im nächsten Friseursalon, der
einigermassen aussieht, abgeben. Aber dann beschlichen mich doch wieder Zweifel.
Und zwar des Ponys wegen (der ja wohl «Scheitel» heissen sollte), wer weiss,
was «Pony» auf Chinesisch (sonst noch) bedeutet.
Es war dann mal wieder mein lieber Linkang, der mir aus der
Patsche half, der mich zur Friseurin seines Vertrauens mitnahm, mich dort auf
einen Stuhl setzte und meine Wünsche ins Chinesische übertrug. Machen wir es
kurz, die gute Frau ist eine Meisterin ihres Fachs, ich habe jetzt einen
Top-Haarschnitt (vielleicht nur ein Mü zu kurz) und hatte während des
Haareschneidens nur einmal Anlass zur Sorge. Und zwar als ich – der Fall des noch
ungekürzten Scheitels, die bereits sichtbar gestutzten Seiten – im Spiegel
verschwommen ein Bild wahrnahm, das mich für kurze Zeit an den unseligen Gröfaz
A. H. aus B. erinnerte, und so will man ja nicht aussehen.
PS Dass sich die Friseurin eingedenk der Tatsache, dass ich
der erste Westler war, dem sie in ihrem langen Arbeitsleben die Haare schnitt,
standhaft weigerte, eine Bezahlung anzunehmen, hat mich doch überrascht. Und es
hätte dessen bestimmt nicht bedurft, in mir einen treuen Kunden zu gewinnen.