Shihezi ist eine junge Stadt, keine 60 Jahre alt. Offenbar
hat man in Peking kurz nach Gründung der Republik beschlossen, im weit
entfernten Xinjiang, das an die Mongolei, Russland, Indien, Tibet und einige
Länder mit «-stan» am Ende grenzt, in der grössten Provinz Chinas und an einem Ort,
wo damals nur Wüste, ausser sengenden Sommern und klirrend kalten Wintern gar
nichts war, hat man also beschlossen, eine Stadt zu gründen, Shihezi, gemäss
china.org «a shining pearl in the desert
of Gobi».
Na ja, das ist Stadtmarketing. Aber zweifellos eine schöne
Formulierung. Sie soll übrigens unter anderem den Umstand hervorheben, dass
Shihezi – das sich auch mit dem Label «garden
city» schmückt – eine zumal für
Wüstenboden erstaunliche Menge von Blumen, Büschen, Bäumen und Grasflächen
vorweisen kann, somit eine blühende Perle ist, doch jetzt wird das Bild ganz schepps.
Shihezi gibt sich Mühe, als lebendige, moderne und
aufstrebende Stadt zu erscheinen. Das zeigt sich beispielsweise in einer Reihe
von repräsentativen Grossbauten, einer schon allein durch ihre räumliche Grösse
beeindruckenden Universität und in einer faszinierenden Vielfalt von Licht- und
Lampenspielereien, von ultramodernen LED-Strassenleuchten, die in vielen Formen
und Farben die langen, schnurgeraden Strassen und Fahrradwege säumen und
(leider nicht durchgehend) in rabenschwarzer Nacht erhellen.
Gleichwohl – und das ist immer interessant – scheint da und
dort auch noch das Alte und womöglich schon Abgelebte durch, Reste aus der
Gründerzeit, als hier wahre Pioniere und die Volksbefreiungsarmee (in der
Tausende von Soldaten das Gewehr gegen den Spaten tauschten) frisch ans Werk
gingen und eine Stadt aufbauten, die inzwischen knapp 600’000 Einwohner zählt.
Ich mag diese Monumente aus Stein und Metall, die roten
Flaggen mit Hammer und Sichel, das Mao-Geld und marschierende Studentinnen (von
denen hier noch gar nicht die Rede war) die Horden von Freiwilligen
(versicherte man mir), die ausschwärmen, um Schnee zu schaufeln, die Strassen
und Wege zu wischen, Bäume zu schneiden – ich mag jede Einzelheit, die mich
daran erinnert, dass ich eigentlich in einem kommunistischen Land lebe. Weil
ich es sonst nämlich leicht vergesse.
Übrigens, der Vater eines sehr bekannten chinesischen
Künstlers, der derzeit unauffindbar ist, wurde, nachdem er der Partei
unangenehm aufgefallen war, in den 60-er Jahren hierher (und damit ganz weit
weg von Peking), nach Shihezi, nun ja – verbannt.