Grün ist die Post in China, nicht gelb, dies gilt es als
erstes festzuhalten. Dann sind Poststellen, Briefträger und -kästen hier rar,
in Shihezi jedenfalls, wo ich bisher nur eine Post kenne, die Hauptpost, und
vor der stehen zwei Briefkästen. In die würde ich meine Briefe und
Ansichtskarten werfen (wenn ich noch Briefe schriebe und es in diesem Land
Ansichtskarten gäbe) würde ihnen eine gute Reise wünschen und dabei zufrieden
konstatieren, dass eine handgeschriebene, mit einer Briefmarke versehene, 6000 km
gereiste Nachricht doch etwas ganz anderes ist als eine E-Mail.
Wie auch immer, dass die meisten Menschen in China eine
Postadresse haben und einen Briefkasten nebst -schlüssel, dies setzte ich, weil
das bei uns halt so ist, einfach voraus (Regel Nr. 1 zur glücklicheren Gestaltung
des Alltags als Fremder: nichts einfach voraussetzen). Nun erwies sich das mit
der Adresse aber zunächst einmal als recht schwierig und ein persönlicher Briefkasten
wurde von Seiten meines Assistenten als unüblich und «not safe» eingestuft, ich
solle mir doch bitte meine Post an eine sichere Uni-Adresse schicken lassen.
Wie mir dennoch eine Postanschrift (in lateinischen Lettern)
und ein eigener Briefkasten zugeteilt werden konnten, wie viel Überzeugungs-
und Übersetzungsarbeit dazu nötig waren, wie viele Stunden der Suche im damals
noch heftigsten Schneetreiben ich zubrachte, gleichsam an der Hand einer
Studentin, die sich meiner angenommen hatte und nun mit mir rund um die
Hauptpost nach einer zuständigen Dienststelle suchte … unser unwahrscheinliches
Glück, nicht nur das mit dergleichen speziellen Anliegen sich befassende Büro,
sondern auch einen (Kette rauchenden) Büroleiter aufzuspüren, der ein paar
Wörter Englisch kann und mir gegen Bezahlung einer Gebühr einen Briefkasten
innert Wochenfrist in Aussicht stellte (was freilich, aufgrund komplizierter
Verwicklungen und einiger Pannen, nicht möglich war) – dies alles detailliert
zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Berichts sprengen.
Deshalb nur noch das glückliche Ende, die Krönung meiner
Bemühungen, der Tag, als es an meiner Wohnungstür klopfte, draussen ein junger
Mann stand, der mir einen zerknitterten Zettel überreichte (auf dem «show your postbox, follow me» stand), mich nach unten in den Hof und
hinter eine Garage führte, wo, von mir bis dato unbemerkt, ein grüner
Blechkasten mit vielen abschliessbaren Fächern hängt, und dort wurde mir nun
mein Schlüssel ausgehändigt (für das Kästchen oben rechts). Alle anderen Fächer
sind übrigens unbenutzt, und so bin ich alter Dickschädel nun in der 4th street
109 in 832000 Shihezi, China, der einzige Bewohner mit Privat-Briefkasten.