China ist, da sage ich nichts Neues, ein Teeland. Tatsächlich
trägt fast jeder hier ein Fläschchen mit grünem, rotem oder mit Blüten
gebrautem Tee herum, als ob es ein Zaubertrank wäre (und das ist es vielleicht
auch). Der Kaffee hingegen hat im Reich der Mitte einen schweren Stand; zumal
in Xinjiang, wohin sich noch nicht einmal diese eine, weltweit operierende
Hochpreiskaffeekette gewagt hat, zu ungünstig sind wohl, selbst in der Provinzhauptstadt
Urumqi, die Gewinnaussichten.
Natürlich, es gibt Nescafé, aber hat man nicht auch seinen
Stolz und einen geschulten, tausendfach geübten Gaumen, der in Sachen Kaffee ziemlich
genau weiss, was gut ist? Und hätte man denn umsonst aus der Heimat einen
Espressokocher und zwei Pfund kostbarsten Kaffeepulvers mitgebracht?
Die Lage ist also – jedenfalls solange noch Vorrat vorhanden
bzw. für Nachschub gesorgt ist – nicht Besorgnis erregend. Trotzdem beruhigt
und freut es mich ungemein, dass hier in Shihezi ein einziges richtiges Café (mit
richtigem Kaffee) vorhanden ist. Es heisst «coffeetime».
Hier bin ich oft zu Gast. Nicht nur des Kaffees wegen, der
übrigens in einem faszinierenden, mehrere Minuten in Anspruch nehmenden
Verfahren hergestellt wird, bei dem Glaskolben, Steigrohre und ein Gasbrenner
zum Einsatz kommen (eine Prozedur, die mich sofort in die Zeit zurückversetzte,
als ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung ging und ich einen
Kosmos-Chemiebaukasten geschenkt bekam), sondern auch und inzwischen
hauptsächlich, weil ich im Besitzer des «coffeetime», in Bai Lingkang, einen Freund gefunden
habe, der mir mit Rat und Tat und seinem oft zu vernehmenden Lachen zur Seite
steht, mit dem ich Fahrrad fahren gehe, Schach spiele und der nicht müde wird,
mir ein paar Brocken Chinesisch beibringen zu wollen.
Es ist immer gut, einen Freund zu haben. Zumal in der Fremde
und an einem Ort, wo man vieles nicht versteht, vielleicht nie verstehen und
kaum je ganz verstanden werden wird – da ist ein Freund Gold wert.