Ans Schlaraffenland gewöhnt man sich schnell. Vielleicht ist
es am Anfang noch was Besonderes, dass man täglich essen geht, manchmal auch
zweimal, dass man bestellt und in Nullkommanichts steht ein dampfender Teller
vor einem; dass das Essen fast immer gut, sehr gut schmeckt und man dafür, denn
so ist das im Schlaraffenland, zwar heutzutage nicht mehr gar nichts, aber sehr
wenig zu bezahlen hat (in einer der über den ganzen Campus verstreuten Mensen kostet
ein Essen so ab etwa 4.50 RMB, und für das Dreifache gibt es auch ausserhalb
einen Teller Spaghetti mit Fleisch und Gemüse).
Die „Spaghetti“ habe ich natürlich extra hier
hingeschrieben, um zu sehen, wie sie sich in einem Bericht aus Xinjiang machen,
ob das allzu fremd anmutet und womöglich gleich einen Protest auslöst
(italienische Regierung zitiert den chinesischen Botschafter, der umgehend auf
die Schweiz verweist, die sich jedoch wie immer neutral verhält), wenn nicht
gar eine Nudelkrise.
Wenigstens wären wir jetzt endlich bei den Nudeln, für die die
autonome Provinz Xinjiang berühmt ist. Es gibt lange und kurze, dünne und
dicke, breite und schmale. Und Teigtaschen gibt es auch, sodass man den Protest
der italienischen Regierung inzwischen nachvollziehen kann. Denn die alte
Streitfrage, wer die Nudel erfunden hat, ist noch immer nicht entschieden.
Und fern läge es mir, in dieser Frage Stellung zu beziehen.
Als Gast in Xinjiang und regelmässiger Nudelesser möchte ich nur auf eine
gewisse Omnipräsenz der hiesigen Nudel hinweisen, die von mittags bis spät
abends anzutreffen ist, sei es, dass man sieht, wie sie in Garküchen
zubereitet, in Restaurants serviert oder lässig in einem Plastiksäckchen am
Handgelenk mitgeführt und nach Hause getragen wird.
Dass man als Schlaraffenlandbewohner nun aber hier, in
Shihezi und in einem der muslimischen Xinjiang-Restaurants, auf seine Nudeln
oder was auch immer vielleicht etwas länger wartet als sonst in China, hat mit
einem Phänomen zu tun, das mir ein Gewährsmann mit „Xinjiang-Speed“ übersetzte.
Womit gemeint sei, dass man sich hier bei der Zubereitung der Speisen etwas
mehr Zeit lasse. Und ich vermute, auch sonst. Das gefällt mir.