(BH) Der Johann weigert sich irgendwie zu schreiben, also muss ich wieder ran. Diesmal in komplett neuem Setting - in einem fetten Ledersessel am Flachbildschirm - im Business Centre vom Park 10 Hotel in Medellin, einem 5 Sterne Schuppen vom Allerfeinsten.
Wie wir da hin kommen? Nach 3 Tagen Motten-/Kaeferattacke, feucht-gammelnden Klamotten und schlechtem Kaffee in Salento dachte ich mir, hallo - Flitterwochen?? - insofern hab ich uns ein Zimmer in Medellin gebucht. Eigentlich ist es eine Suite. Man kann sagen, insowas haben wir noch nie geschlafen. Unsere Suite ist zweistoeckig. Unten ist das Wohnzimmer mit Esstisch und oben das Schlafzimmer, mit kleinem Fruehstueckszimmer und Badeparadies mit Jacuzzi. Einen krasseren Gegensatz zu unserem Hostel in Salento kann man sich gar nicht vorstellen, aber ich finde, das musste auch mal sein. Und ist immer noch sehr erschwinglich hier im Vgl. zu Deutschland. Aber Ihr koennt euch vorstellen, wie deppert die uns an der Rezeption angeschaut haben, als wir da leicht siffig und miefig mit unseren Rucksaecken angetrottet kamen.
Und noch bloeder hat die Zimmerdame geschaut, als wir den kostenlosen Waschservice in Anspruch genommen und ihr gestern 2 rappelvolle Saecke mit verschlammter Stinkewaesche in die Hand gedrueckt haben. Mei, riecht das alles jetzt wieder gut. Himmlisch.
Tja, aber morgen ists damit auch wieder vorbei und wir fliegen nach Santa Marta, also an die Karibikkueste, von wo´s dann Zelten im Tayrona Nationalpark geht. Aber ich freu mich auf hoffentlich Sonne - der Regen geht mir langsam auf den Sack.
Denn: natuerlich ist Regenzeit in Kolumbien. Wer haette das gedacht. Hier in Medellin scheint zumindest tagsueber die Sonne, aber in Salento haetts uns fast fortgespuelt.
Aber nochmal eins nachm anderen: wir sind also von Bogota aus in die Zona Cafetera, genauer gesagt nach Salento, einem kleinen schnuckeligen Doerfchen. Das Hostel dort wurde von einem groessenwahnsinnigen Englaender betreiben, der denkt, dass aus ihm ein bedeutender Kaffeebauer wird. Gleich hinterm Hostel hat er sich deshalb eine Kaffeefarm gekauft und braut da irgendwas zusammen, was uns ehrlich gesagt null vom Hocker gehaun hat. Da schmeckt Starbucks Kaffee besser. Aber spannend so ne Kaffeefarm - die koennen naemlich mitunter komplett chaotisch aussehen, mit Palmen und Bananenstauden zwischendrin, Orangenbaeumen, Blumen, Bambuswaeldern. Je nach Kaffeesorte braucht das Gewaechs naemlich viel Schatten und insofern gibts eben oft Kunterbuntfarmen. Vielleicht hat er uns das aber einfach auch nur erzaehlt, weil er zu faul ist seinen Garten ordentlich aufzuraeumen...
Haben dann auch einen Wanderausflug ins Valle de Cocora gemacht - ein superschoener Nationalpark. War auch recht spannend: erst mussten wir unseren Jeep ueber einen Schlammhaufen schieben (ist halt mal eben eine dezente Schlammlawine vor uns abgegangen), auf der Tour selber gings ueber etliche Wackelbruecken ueber einen doch recht reissenden Bach - vor allem nach 3 Std. Platzregen ist der Bach ziemlich hektisch geworden. Und ich mit. Aber Papa Schlumpf hat wie immer gut auf mich aufgepasst. War ne super Wanderung, aber der Regen hat echt genervt mit der Zeit. Weitblick hatten wir aufgrund dichtem Nebel keinen - man sagt, es gibt beeindruckende Berge ringsum. Na gut, glauben wir das mal. Die meterhohen Wachspalmen (die kolumbianische Nationalpflanze) waren aber wirklich ein Leckerli fuer die Augen. Und haufenweise Kolibris gabs auch zu sehen. Der Johann hat an die 100 Bilder verknipst, um einen dieser kleinen Flitzebogen fotografisch festzuhalten. Naja, haben wir halt 98 Bilder von einem leeren Ast.
Der Johann ist dann mit dem Hollaender Eltjo noch Biken gegangen - da ich ja schon bei gerader Asphaltstrasse auf die Fresse fall, hab ich mir das geschenkt und bin durch Salento gebummelt. Und Wolfgang Glueck, der Kommentator unseres letzten Artikels, hat Recht behalten: die Menschen sind um einiges netter gewesen als in Bogota. Total cooler Ort. Angeglotzt haben sie uns zwar immer noch, aber wenigstens waren mehr Backpacker zum Anglotzen da, also haben wir nicht alles abbekomen. Wir hatten sogar das Vergnuegen Halloween mitzufeiern - da ging echt die Post im sonst so beschaulichen Oertchen ab. Alle Maedels verkleidet als Engel, Teufel oder einfach Schlampe und die Jungs als Cowboys (wenn schwul), Hip Hopper (wenn noch ohne Bartwuchs) oder ansonsten Meuchelmonster. Halloween ist offensichtlich in ganz Kolumbien ein Riesending. Bzw. einfach nur ein weiterer Grund sich sinnlos zu betrinken, nehm ich an.
Ne, also ich muss sagen, trotz Dauerregen und obwohl wir echt in einem Loch gehaust haben, haben wir uns superwohl in Salento gefuehlt. Hatten am Ende auch total nette Leute im Hostel - Vanessa & Martin aus Mainz, die 1 Jahr in Medellin arbeiten, Eltjo der Hollaender und Carmit & Ran aus Tel Aviv, die auch in Flitterwochen sind - allerdings 4 Monate. Mit diesem Trupp sind wir dann zusammen nach Medellin gefahren und haben die letzten Tage verbracht.
Zu Medellin gibts eigentlich nicht viel zu sagen. Einst die weltweite Hochburg des Verbrechens ist die Stadt jetzt angeblich die sicherste in Suedamerika. Mag sein. So richtig wohl fuehlt man sich aber trotzdem nicht. Vor allem wenn man nach nur 3 Minuten Fussmarsch einen einer anspricht, von wegen, man sollte hier besser nicht langlaufen, nur Diebe unterwegs, keine gute Gegend, besser umdrehen. Na super. Sind wir halt mit vollen Hosen wieder umgedreht.
Es gibt ein schoenes Viertel, die Zona Rosa, aehnlich wie in Bogota. Ein kuenstliches Weggehviertel, das eher nach Disneyland als Kolumbien aussieht. Aber das ist eben nur Fassade. Sobald man mal ein paar U-Bahnstationen aus dem Zentrum rausfaehrt, schreit einem die Armut ins Gesicht. Kinder wuehlen in Muellbergen, Leute planschen im Fluss, der so dreckig ist und stinkt, dass einen schuettelt - Holzverschlaege, Baracken, abgedeckt mit losem Wellblech, beschwert mit allem, was Gewicht hat - vom Backstein zur ausrangierten Badewanne. Und noch krasser ist, dass es eine supermoderne Gondel gibt, die genau durch diese Viertel durchschwebt. Man sitzt da also in dieser Glasgondel und kann regelrecht den Leuten in die "Wohnungen" schaun oder besser in die "Waende mit Abdeckung". Wie im Zoo. Ich mein, man sieht solche Bilder ja taeglich im Fernsehen, aber wenn man das hautnah erlebt, dann ist das ziemlich verstoerend.
Auf der einen Seite also moderne Hochhaeuser und auch feine Geschaefte - allerdings auf sehr ueberschaubarer Flaeche. Und auf der anderen Seite dann diese krasse Armut. Die beiden Israelis haben uns gefragt, ob es in Deutschland auch so Gegenden gibt bzw. wie denn "arme" Leute in Deutschland leben zum Vergleich. Nehmen wir mal Muenchen als Beispiel - sicher kein gutes, da Muenchen stinkreich ist - aber nur mal so. Was waeren denn schlechte Gegenden in Muenchen? Perlach? Hasenbergl?? Dass ich nicht lache. Jede Sozialwohnung bei uns ist der reinste Koenigspalast. Und jetzt sitz ich hier in meinem Ledersessel und im Hintergrund dudelt "Moonriver"...