(JH) Unsere Zeitmaschine war ca. 30 m lang, 4 m hoch und eben so breit. Angemalt war sie in verschiedensten Farben und bedient wurde sie von zwei Peruanern. Nachdem in Peru das Preisgefuege noch mal ca. 30 % unter dem Argentiniens liegt war auch das Ticket fuer die Zeitmaschine mit 15 Soles (ca. 4 EUR) guenstig. Man steigt am Terminal Terrestre (wie bezeichnend) ein und wird ca. 6 Stunden spaeter in der Urzeit ausgespuckt. Ok, es war nicht wirklich eine Zeitmaschine sondern vielmehr ein Bus. Dennoch war es wie eine Reise in die Vergangenheit.
Zuerst fuhren wir ueber einen 4.800 m (!) hohen Gebrigspass um Richtung Colca Canyon zu kommen. Die Tatsache, dass man fuer eine 160 km-Fahrt 6 Stunden braucht, verdeutlicht, dass wir mit "wahnsinniger Geschwindigkeit" unterwegs waren. Darueberhinaus gibt es in Peru nicht wirklich Haltestellen. Sobald am Strassenrand eine Person die Hand ausstreckt und eine Art Winkebewegung macht, haelt der Bus an, egal ob er schon voll ist oder nicht. Aussteigen kann man auch wo man will. Dazu kommt, dass der Grossteil der Strasse Schotter ist und man daher selten schneller als 25 km/h faehrt. Die Busfahrt wird dann zu einem absoluten Hochgenuss wenn, wie bei der Rueckfahrt geschehen, der Passagierraum in Discolautstaerke beschallt wird (und das fuer 7 Stunden - ja die Rueckfahrt dauerte noch laenger). Wir hoerten unterschiedliche Radiosender, welche alle eins gemein hatten: einen beschissenen Empfang! Das heisst zur nervtoetenden Lautstaerke wurde die eh schon furchtbare Musik (Folklore mit Elektroeffekten garniert) mit Rauschen, Krachen und schrillem Gepfeife verschoenert. Nach 7 Stunden Fahrt bist du dann bereit, den Busfahrer sowie alle anderen Leute zu lynchen. Aber du bist ja Gast in einem fremden Land, also laesst du es bleiben und bedankst dich beim Ausstieg nur leicht ironisch fuer das Unterhaltungsprogramm.
Ziel der Reise war jedenfalls der Colca Canyon, der nach Angaben der Peruaner zweittiefste Canyon der Welt (glaube nur Statistiken, die du selber gefaelscht hast). Fuer interessierte hier der Link: http://en.wikipedia.org/wiki/Colca_Canyon
Wir hatten mal wieder unsere Wanderstiefel geschnuert und sind von ca. 3.300 m ueber NN einen ca. 100 Serpentinen umfassenden Weg in den Canyon abgestiegen (auf ca. 2.200 m). Zur Steilheit des Canyons muss ich leider mangels beschreibender Worte auf die Bilder verweisen. Es war jedenfalls atemberaubend (vor allem wenn man ein wenig Hoehenangst hat so wie ich). Am Boden des Canyons erwartet einen dann eine Oase mit viel Gruen und Palmen. Nach Querung und einem etwa 1,5 stuendigen Aufstieg auf der anderen Seite des Canyons waren wir in Malata, einem kleinen Andendorf mit ca. 80 Einwohnern angelangt. Ein anderer Backpacker hatte uns erzaehlt, dass man dort in einem "Hostel" uebernachten und nebenbei viel ueber die Lebensweise der Leute erfahren koenne.
Die Leute leben hier nach wie vor nur von ihren eigenen landwirtschaftlichen Erzeugnissen, welche dank des Klimas und der Bodenbeschaffenheit sehr reichlich sind. Verkauf oder Tausch existiert kaum. Ein Haus besteht aus 4 betonierten (unverputzten Waenden) welche direkt auf den Dreckboden gestellt werden (also kein Fundament) sowie einem Dach aus Wellblech. Meistens sind die Haeuser offen, haben also keine Tueren oder Fenster. Ein Haus fuer eine Familie bestehend aus 4 Personen duerfte so ca. 15 m2 gross sein. Meistens gibt es dann noch ein weiteres Gebaeude in dem sich die Kueche (Feuerstelle) befindet. Strom haben hier die wenigsten Haeuser. Das Wasser kommt vom Berg und das Klo ist maximal ein Plumpsklo. Gegessen wird was angebaut wird (Kartoffeln, Mais, Reis, verschiedene Gemuese und Fruechte) sowie ab und zu mal ein Huehnchen oder Meerschweinchen (beide werden in Staellen gehalten). Der Transport funktioniert im Grunde nur ueber Maultiere, da es natuerlich hier keine Strassen sondern nur Wege gibt. An dieser Stelle auch mal ein grosses "chapeau" an die Maultiere. Die Wege sind fuer Menschen schon kaum begehbar, aber diese Viecher haben offensichtlich ungeahnte Klettergene. Die Arbeitszeiten duerfte manch einem deutschen Gewerkschaftler das Wasser in die Augen treiben: von 3-4 h morgens bis 6 h abends, und das 365 Tage im Jahr. Die Medizin besteht aus Kraeutern und Tierextrakten wie z.B. aus Schlangenhaut. Ja, nach westeuropaeischen Standards haben die Leute hier nicht viel. Aber sie Lachen und machen einen gluecklichen Eindruck. Armut ist halt doch immer nur eine relative Sache. Aber der Tourismus wird sicherlich auch hier bald vieles zerstoeren und nichts als Schauspiel uebrig lassen. Das Schlimme ist, dass man selber als Tourist hierfuer so manchen Grundstein legt (ungewollt!!!).
Unser Hostel war jedenfalls ein Haus, dass in Deutschland gerade mal als Kuhstall herhalten wuerde mit 4 Betten drin. Das "Schlafgebaeude" war ein Anbau eines (wie oben beschriebenen) Hauses. Gegessen haben wir Kartoffeln, Reis, Gemuese, etc. Meerschweinchen gabs leider nicht (ist zwar irgendwie eklig, aber probieren wollten wir es doch). Geschlafen haben wir nach dem anstrengenden Anstieg und der Busfahrt wie die Babies. Naja, nach 2 Monaten Suedamerika schlaefst du einfach auf allem. Am naechsten Tag gings dann den gleiche Weg wieder in die entgegengesetzte Richtung und mit dem Bus (aaaahhhhh!) nach Arequipa. Unsere naechste Station wird Cusco und der Machu Picchu sein. Danach gibts wieder Neues von uns.
Ach ja, es gibt uebrigens wieder neue Bilder bei Flickr: http://www.flickr.com/photos/bettinajohann/
Allerdings konnten wir aufgrunde der wahnsinnig schnellen Internetverbindung nicht alle vorhandenen hochladen. Von Bettina hoert ihr heute nichts, da sie neben mir sitzt und angefangen hat, mal die Bilder zu beschriften. Eine Elendsarbeit!