Es gibt mehrere Möglichkeiten Xinjiang Richtung Europa zu
verlassen – links rum, über Kirgistan, Kasachstan usw. (erst mit dem Bus, sehr
schwierig), mit dem Flugzeug von Urumqi aus (über Moskau, wenige und meist
teurere Flüge) oder rechts rum mit dem Zug von Urumqi nach Peking. Letztere
Option wäre mir am liebsten gewesen (hätte ich nicht über 30 kg in drei
Gepäckstücken dabei gehabt), auf Zugfahrten erlebt man nämlich meistens
Abenteuer, kriegt man was zu sehen und ein Gefühl für Distanzen (Urumqi -
Peking: 3700 Zugkilometer in 33 Stunden).
Mit China Air dauerte es am 25. 12. etwa dreieinhalb Stunden.
Dass ich wegen Nebels mehrere Stunden warten musste (dafür aber einen Kasachen
kennen lernte, der für eine Ölfirma unterwegs war), dass man in Urumqi bei der
Sicherheitskontrolle seine Schuhe ausziehen und in Socken durchs Gatter auf ein
Podestchen muss, das nur nebenbei. Hauptsächlich aber eine Warnung: Wer je am
Flughafen in Urumqi sein und dort in der Halle Lust auf eine Tasse Kaffee
verspüren sollte, der überlege sich das genau, ganz genau, frage nach dem
Preis, auch ein zweites und drittes Mal, lasse sich zur Bestätigung die Getränkekarte
reichen, kurzum versichere sich aufs Genauste, dass er am Ende nicht wie der
Dubel aus der Schweiz 90 Yuan für einen Kaffee zahlt, etwa 10 Euro, womit die
Gastronomie am Flughafen Urumqi wohl einen Kaffeepreisrekord in China aufstellt
(ein Cappucino bei Starbucks im topmodernen Terminal 3, Capital Airport Beijing:
27 Yuan), ich gratuliere.
Nach einem Tag in Peking, der mir in bester Erinnerung
bleiben wird – gleichsam an der Hand von Mr. Wang, der die Hauptstadt wie seine
Westentasche kennt, überdies ein ausgezeichneter, so unerschrockener wie
bedächtiger Autofahrer ist und mich durchs moderne Peking mit seinen
Wolkenkratzern und einer Architektur gewordenen Muschel (dem Opernhaus), einem gewaltigen
Wasserwürfel (dem bei Nacht blau leuchtenden olympischen Schwimmstadion) und dem
ebenso beeindruckenden Vogelnest kutschierte (nachdem wir zuvor durch einige
Hutongs spaziert waren und ein Café besucht hatten, wo man Illy-Kaffee
ausschenkte (freilich nicht zu Urumqi-Airport-Preisen)) – und mir am Abend ein
letztes Mahl in kleiner Runde bescherte (wo u. a. ein bis dahin noch nie
gesehenes Fischgericht aufgetischt wurde, das sich optisch gut für eine
Kampagne gegen Folter, die Todesstrafe oder auch nur das Verzehren von Fisch
eignen würde), ging es dann in der Nacht zum 27. 12. mit Hainan Airlines nach
Zürich.
Hainan Airlines verbindet Peking und Zürich dreimal die
Woche direkt in beiden Richtungen und ist mir bereits auf einem Inlandflug in
China aufgefallen. Und zwar durch einerseits grottenschlechtes Essen und
andererseits den freundlichsten und zuvorkommendsten Service, der mir – als
freilich recht unerfahrenem Flieger – je zuteil geworden ist. So auch jetzt
wieder (nur dass zwischen Peking und Zürich diesmal zwei ganz passable
Mahlzeiten serviert wurden) und auf dem zehneinhalbstündigen Flug vermochte
mich Hainan Airlines (von denen ich weder Geld noch sonstige Vergünstigungen
bekomme), noch mehr zu überzeugen. Zum Beispiel durch eine Selbstbedienungszone
in der Bordküche, wo Tee, Kaffee usw. bereitstehen, sodass man die Wahl hat, wie
bisher sein Getränk serviert zu bekommen oder sich ein wenig Bewegung zu
verschaffen, in der Bordküche mit einer auch um drei Uhr morgens frisch
aussehenden Stewardess zu plaudern und seinen am besten schon halb
ausgetrunkenen O’saft (Turbulenzen!) zu seinem Platz zu balancieren.
Weiter besticht Hainan Airlines durch ein «bord
entertainment system», und mit dem kann man Filme ansehen, Musik hören,
Computerspiele machen, sich über eine der besten Fluggesellschaften der Welt
informieren usw. – jeder Passagier hat dazu einen im Rückenteil des Sitzes vor
ihm eingelassenen Touchscreen zur Verfügung. Auf einem Flug über etwa 8000 km
ist so sein System zur Unterhaltung und Zerstreuung recht sinnvoll, ich nutzte
es, um die erste halbe Stunde von «Tree of Life» zu sehen und Musik zu hören.
Nachdem ich mich durch einige Pop- und Jazzalben gehört
hatte, landete ich schliesslich, schon über Schweizer Boden, bei Sonny Rollins.
Und als sich das Flugzeug eben zum Landeanflug in Zürich anschickte, setzte –
man kann mir das jetzt glauben oder nicht – «On a slow boat to China» ein …
wenn das kein Himmelszeichen oder mindestens ein Wink vom «bord entertainment
system» der formidablen Hainan Airlines ist (von denen ich leider auch
weiterhin weder Geld noch sonstige Vergünstigungen bekomme) – dann weiss ich
auch nicht.
PS Das slow boat in China wurde mir von einer Studentin aus Hunan zur Verfügung gestellt, womit für einmal ein nicht selbst aufgenommes Foto in dieses Journal Eingang fand.