War Peking in Sachen Brot noch eine Brache, so hat sich in
Shihezi, Xinjiang, die Versorgungslage eindeutig verbessert. Das ist u. a. den
Turkvölkern zu verdanken, die hier herum ansässig sind oder waren, den Uiguren,
Usbeken, Kasachen, Kirgisen usw. Das Brot heisst „Nan“, ein Wort, das mir
gefällt, weil es wie für Kinder gemacht scheint und sogar ich es aussprechen
kann. „Nan“ ist aber auch deshalb schön, weil es wie „Chai“ (für „Tee“) ein
gutes Beispiel dafür abgibt, dass Wörter auf Wanderschaft gehen und Völker
verbinden können, im Nan-Fall besagte Turkvölker mit Indien, Pakistan,
Afghanistan, bis hinüber nach Persien.
Es gibt mehrere Sorten dieses Fladenbrots, das meist mit
Weizenmehl gebacken wird, mit Öl bestrichen und mit Sesam bestreut werden kann,
auch mal süss ist, wenn’s beliebt. Es wird in diesen kleinen, offenen Backstuben
direkt an der Strasse hergestellt, die im wesentlichen aus einem simplen Ofen bestehen. Ich mag das Öffentliche daran, den
Duft, der aus den Kabäuschen strömt, das Nan selbst natürlich, wenn es ganz frisch und
noch warm ist, seine gebräunte Kruste – man muss (alles andere wäre eine grosse
Dummheit) an Ort und Stelle hineinbeissen.
Shihezi ist aber noch aus einem anderen Grund ein guter Ort
für Brotesser. Es gibt hier ein Kaufhaus und darin auch eine
Lebensmittelabteilung mit eigener Backstube. Dort wird vorzu allerhand, meist
Süsses, gebacken. Unter anderem ein Brot, das mit Nüssen und Rosinen gefüllt
ist, das (selbst hier, in sehr trockener Umgebung) mehrere Tage frisch bleibt
und richtig gut schmeckt.
Wenn ich es kaufe, zeige ich der wie eine Krankenschwester
aussehenden Frau hinter der Theke (helle Schürze, Mundschutz, foliendünne
Handschuhe) mit Daumen und Zeigefinger an, wie viel sie vom Meterbrot
abschneiden soll, und sie lächelt dann immer, das heisst, ihre Augen lächeln, den
Mund kann ich ja nicht sehen.
Als Fremder ist man auf diese kleinen, aufmunternden Gesten,
auf ein Lächeln sowieso, besonders angewiesen. Man wird also verstehen können,
dass ich zu den regelmässigen Kunden dieses Brotstandes gehöre.