Gestern, nachdem ich gerade kurzentschlossen meine Wohnung
ausgefegt und die empfindlichen Böden feucht gewischt hatte, stellte ich mich
unter die Dusche. Ach, es gibt nichts Schöneres, als sich nach getaner Arbeit
mittels der erfrischenden und reinigenden Wirkung möglichst gleichbleibend
temperierten Wassers … aber der gestrige Wasserstrahl war, wiewohl auch sonst
nicht gerade üppig, besonders dünn … ward alsbald zu einem traurigen Tröpfeln
und versiegte ganz. Man hatte mir offenbar das Wasser abgestellt.
Und nun erinnerte ich mich auch wieder des Besuchs jenes gut
gekleideten Herrn Tage zuvor, der erst energisch gegen meine Wohnungstür
geklopft hatte, dann umstandslos eingetreten war, (wobei er wechselweise laut
auf mich einsprach oder in eine Art Funkgerät hinein), den Raum unter meiner
Spüle in der Küche inspizierte, mir gestenreich etwas erklärte, lachte,
mehrmals seinen Zeigefinger in die Luft schnellen liess und schon wieder
verschwunden war. Ich hatte natürlich kein Wort verstanden.
Nun klopft es wieder, ich habe gerade noch Zeit, mir ein
T-Shirt und eine Trainingshose anzuziehen. Derselbe gut gekleidete Herr und in
seinem Schlepptau zwei Männer in Arbeitskleidung, die auch schon wortlos an mir
vorbei in meine frisch geputzte Küche eingedrungen sind, ihre Gerätschaften auf
dem Fussboden verteilt haben und sich unter meiner Spüle zu schaffen machen.
Als ich meine Sprache wiederfinde, ist der Chef auch schon durchs Treppenhaus
nach oben verschwunden.
Später wird er mehrmals zurückkommen, meine Wohnung betreten,
durch sein Funkgerät etwas nach unten oder oben durchgeben und wieder
verschwinden. Währenddessen kommunizieren auch die Arbeiter in meiner Küche
munter, aber nie miteinander, sondern durch
ihre Mobiltelefone; um ehrlich zu sein, sie schreien.
Man muss sich also vorstellen, wie ich in Leibchen und
Turnhose auf meinem Sofa, in meinem Wohnzimmer sitze, während in meiner Küche
gewerkelt und herumkrakeelt wird und laufend jemand in meine Wohnung stürzt
oder sie wieder verlässt, telefonierend oder funkend, was weiss ich. Natürlich
werde ich wütend, natürlich versuche ich mich zu wehren (und gebrauche dabei
einige deutliche deutsche Worte), was allerdings von chinesischer Seite, wenn
überhaupt, dann höchst gleichgültig aufgenommen wird. Auch von dieser Frau, die
nun plötzlich auch noch in meiner Wohnung steht und sich interessiert umsieht,
dann in meine Küche stöckelt und sich mit den Arbeitern unterhält, scherzt,
lacht – eine Nachbarin offenbar, und es half gar nichts, dass ich sie bei ihrem
Eintreten, als sie grusslos die Schwelle überschritt, abweisend und geradezu feindselig
angestarrt habe.
Man sitzt also auf seinem Sofa, in seiner Wohnung und hat
doch das Gefühl, dass es nicht oder nicht mehr die eigene ist. Man erlebt, wie
ohne Unterlass fremde Leute die Wohnung laut und zwanglos sprechend betreten (aber
nie mit mir) und wieder verlassen, und wähnt sich allmählich in einem jener Volkstheaterstücke,
in denen es genauso zugeht, dauernd jemand auf- oder abtritt, in diesem Fall
allerdings in einem Stück von Kafka, falls der auch fürs Theater geschrieben
hätte.
Dass man gerade dabei ist, einen höchst wichtigen
kulturellen Unterschied zwischen Ost und West zu erleben (und zwar hinsichtlich
Privatsphäre und öffentlichem Raum, Individual- und Gruppenkultur) … realisiert
man erst später. Auch, dass man jetzt einen neuen Wasserzähler hat.