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Da fahr'n ma nimma hi!

Die Kehrseite

BOLIVIA | Friday, 18 January 2008 | Views [532]

(JH) Es ist schon unglaublich wie sich deine Wahrnehmung nach nur 3 Wochen aendern kann. Als wir vor ca. genau dieser Zeit durch Santiago de Chile gefahren sind, kams uns absolut unbedeutend und nicht besonders schick vor. Es war im Grunde eine chilenische Stadt wie jede andere auch. Nach ein paar Wochen im "richtigen" Suedamerika und zurueck in Santiago kommt einem die Stadt vor wie klein Paris. Alles ist sauber, es gibt Strassen, die Leute sind schoen angezogen usw. Peru und vor allem Bolivien haben einem da schon die Augen geoeffnet. Die Jungs da sind einfach schweinearm. Dazu kommt, dass sie in einer nicht wirklich attraktiven Wohngegend (meist ueber 3.500 m) leben.

Da gibt es auf der einen Seite die Staedte, die absolut chaotisch wirken und nur selten asphaltierte Strassen haben. Auf offenen Maerkten wird vom LKW-Reifen bis zur Knoblauchzehe alles verkauft. Supermaerkte scheints nicht zu geben. Am Rande dieser Staedte sieht man Unmengen von Muell der offensichtlich nur aus der Stadt herausgeschoben wird. Irgendwo in diesem Muell streiten sich dann noch Hunde und die Bettler um Essensreste.

Auf dem Land stehen einfach nur vereinzelt Haeuser aus Lehmziegeln mit Stroh- oder Blechdach. Mit viel Glueck haben diese Fenster. Heizungen oder Oefen sucht man vergebens. Das macht aber auch nichts, da sich das Leben, trotz des bescheidenen Wetters ohnehin draussen abspielt.

Man muss das alles wirklich mal mit eigenen Augen gesehen haben. Der "Lebensstandard" hier ist so weit von unserem Weg wie nur irgendwie vorstellbar. Klar gibt es auch schoenere Orte...

Nach unserer Machu Picchu Experience sind wir noch 2 Tage in Cusco geblieben. Hier haben wir nochmal Jonathan getroffen, den wir auch schon in Mendoza und Arequipa getroffen hatten. Sind nochmal einen heben gegangen und haben uns dann fuer den Rest unserer Reise verabschiedet. Nachdem ich ihm abends noch von meinem kaputten IPOD erzaehlt hatte, hat er mir kurzerhand seinen mitgegeben (da seine Reise eh zu Ende sei). War sprachlos! Hier also nochmal: Danke Jonathan!!! (auch wenn ers nicht verstehen wird).

Von Cusco gings mit dem Andean Explorer nach Puno an den Titticacca See (wer kam wohl auf diesen Namen und warum - das wird ein ungeloestes Mysterium bleiben). Der Andean Explorer ist eine Art Orient Express, der in wahnsinniger Geschwindigkeit die Strecke von ca. 400 km in 10 Stunden zurueck legt. Allerdings ist der Zug echt geil (aber auch teuer). Es wird ein 3-Gaenge-Menue gereicht und zum Nachtisch gibts ne Alpaca-Modenschau der Schaffner mit anschliessendem Verkauf (ich konnts nicht glauben). Der letzte Wagon ist ein nach oben verglaster und nach hinten offener Aussichtswagen in dem man stundenlang die zweifelsohne beeindruckende Landschaft an sich vorbeiziehenlassen kann. Am besten unterstuezt mit sphaerischer Musik aus meinem neuen IPOD :). Irgendwann kommst du dann durch ein wie oben beschriebenes "haessliches Dorf" und wuerdest das soeben eingenommene Essen am liebsten wieder rausk*****. Man fuehlt sich schuldig, schlecht und hilflos.

(BB) Auch die Reaktionen auf den Zug waren tw. erschreckend. Viele Kinder sind dem Zug freudig winkend hinterhergelaufen, einige Feldarbeiter haben auch freundlich gegruesst. Manch anderen hat man aber deutlich angemerkt, wie sehr sie die Zuginsassen verabscheuen, sodass der ein oder andere sogar einen Stein gezueckt hat. Mich wundert das gar nicht. Dieser Zug mit seinen Ohrsesseln und kleinen Laempchen auf dem Tisch mit reichen Europaern und Amerikanern, die die Einheimischen wie im Zoo anglotzen und dabei ihren Kaffee schluerfen, muss jedesmal wie eine Ohrfeige sein. Der Zug haelt dann zweimal, wo man Gelegenheit hat einer Horde Frauen, die mit ihren Schals, Muetzen und Handschuhen vor dem Fenster winken, etwas gnaedig abzukaufen. Am Besten macht man sich noch gar nicht die Muehe rauszugehen, sondern handelt das Ganze vom Fenster aus ab, waehrend man das 3-Gaenge Menue verputzt. Ich haett echt heulen koennen.

Dennoch war diese Zugfahrt ein einschneidendes Erlebnis, das ich nicht missen moechte. Mal weg aus der heilen Welt der Touri-Staedte, denn Arequipa und Cusco sind schnuckelig, sauber, mit hippen Bars und Restaurants - so weit weg vom wirklichen Leben in Peru.

In Puno (am Titicacasee) wollten wir nicht bleiben, da jeder behauptet hat, die bolivianische Seite des Sees waer viiiiel schoener. Also haben wir dort nur genaechtigt (in einem Appartement, das wir uns mit einem kanadischen Mitt-60er Ehepaaerchen geteilt haben, die eine Orangenplantage haben - wieder mal eine sehr nette Hostel-Bekanntschaft) und sind sofort weiter nach Copacabana, um dort dann die beruehmte Isla de Sol zu besuchen. Hier liegt angeblich der Ursprung der Inca, die Geburtsstaette des Sonnengottes Inti. Der Sonnengott macht aber anscheinend grad Urlaub in Chile, insofern hats wieder mal nur geschifft. Resumee: der Titicacasee (knapp 4.000m) ist nur ein See, ned besonders schoen (Gardasee ist cooler) und Copacabana ein verschlafenes schmutziges Nest. Aber es kann ja nicht nur Highlights auf unserer Reise geben.

(JH) ...und wenn die Suedsee ruft ist man gedanklich eh schon ein Stueck weiter. Von Copacabana zurueck nach Santiago de Chile wars dann mal wieder ein richtiger Ritt. Zum Protokoll:

Aufstehen um 6:00 h, zum Lokalbus nach La Paz. Dieser haelt nach 2 h und wir setzen mit einer "Faehre" (oder eher grosses Holzbrett mit Aussenborder) ueber den Titicacasee ueber. Eine dieser Faehren hiess uebrigens bezeichnenderweise "Titanic". Der Fuehrer der Faehre war waehrend der Fahrt mit Wasserschaufeln beschaeftigt. Soviel zu der Namenswahl bei Booten (Karma). Nach der Faehre gings fuer weitere 2 h im Bus nach La Paz. In La Paz mussten wir dann mit einem Taxi von einem Busterminal zum naechsten. Da es laut unserem Reisefuehrer schon manchmal Uebergriffe auf Touristen gegeben hatte, haben wir uns bei 3 herumstehenden Polizisten erkundigt, welche Taxen sicher sind. Da sich die Cops auch nicht sicher waren, haben sie uns ein Taxi gerufen und die Daten des Taxis sowie unsere Namen auf einen Zettel geschrieben (wie vertrauenswuerdig). So koennte man wohl wenigstens im Nachhinein alles nachverfolgen. Verabschiedet wurden wir noch mit den Worten: Lasst ja niemand ins Taxi steigen. Das war die laengste Taxifahrt meines Lebens... Danach gings mit dem Bus weiter nach Arica (auf Meereshoehe). Wieder mal gings ueber einen dieser unglaublich beeindruckenden Andenpaesse mit ueber 4.500m Hoehe vorbei an Vulkanen, mit Flamingos und anderem Federgetier gespickten Seen, sowie rauher Felslandschaft. In Arica stiegen wir dann ins Taxi zum Flughafen (ist auch eine leichte Uebertreibung). Dann gings mit dem Flieger nach Santiago de Chile. Nach einer weiteren Taxifahrt waren wir - schwuppdiwupp - auch schon da; ca. 24 h spaeter. Meine Fresse, nach so einer Tour weisst du nicht mehr ob du Maennlein oder Weiblein bist.

Dafuer ist das Hostel hier in Santiago (La Casa Roja) der WAHNSINN. Ein altes viktorianisches Haus mit 5 m hohen, stuckbesetzten Decken, einem Pool, einem Jacuzzi, mehreren supercoolen Aufenthaltsraeumen und tausend anderen Kleinigkeiten, die dieses Hostel wohl zu einem der besten der Welt machen. Und das fuer unter EUR 10 pro Nase (allerdings im 8er Zimmer). Wir werden uns jetzt genuesslich noch ein bisschen die Zeit hier vertreiben, noch ein paar Sachen einkaufen und nochmal ein wenig abrocken gehen. Danach gehts auf die Cook Islands (Cookies). Meine Reisehaengematte ist griffbereit... YEAHHHH!

Tags: Adventures

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