(JH) 33 Grad im Schatten, die Bermudashorts und Flip-Flops an und nichts als 80's Schlager aus den Lautsprecherboxen der Geschaefte. Das scheint hier also Weihnachten zu sein. Naja, ab und zu sieht man einen liebevoll (dass ich nicht lache) geschmueckten Baum. Bettinas Theorie zum Vorgang des Weihnachtsbaumschmueckens ist folgende: Man geht ins Geschaeft und kauft ein Paket mit Weihnachtsschmuck. Im Paket befindet sich ein Sprengsatz, den man ueber eine Zuendschnur ausloesen kann. Das Paket stellt man in die Naehe des Christbaums und bringt es via Zuendschnur zur Explosion. Der Schmuck fliegt dann durch die Luft und landet auf dem Baum. Voila,... Baum geschmueckt.
Man kann sich vorstellen, dass unsere Stimmung am 24. nicht wirklich die beste war. Irgendwie sind wir diesem Tag mit einigem Grauen naeher gekommen. So weit von der Familie entfernt fuehlt man sich dann doch irgendwie alleine und moechte so gern Weihnachten daheim feiern. Mit Christmettn, Baum schmuecken, Schnee, Plaetzchen, Gluehwein, Wuerschtl, Sauerkraut, leckeren Brezn, Weissbier und natuerlich Grappa! Oh Mann, ich fang gleich an auf die Tastatur zu sabbern. Also genug geschwaelgt.
Als Zeitvertreib wollten wir uns ein bisschen die Gegend um Mendoza ansehen und da wir kein Auto hatten und Taxis hier billig sind, haben wir uns eins kommen lassen. Que sorpresa, der Taxifahrer hiess Jesus. Er war der prefekte Guide, hat uns von Bodega zu Bodega gefahren und uns selbst in die verschlossenen Bodegas reinschleusen koennen (Anmerkung BB: alle Bodegas waren verschlossen. Komisch, dass hier am 24.12. nachmittags keiner arbeitet....). Er war ungelogen ein Engel.
Um ein bisschen in Weihnachtsstimmung zu kommen, sind wir Abends dann in die Messe gegangen, bzw. auf dem zentralen Platz, auf dem die Open Air-Messe stattfand. Hinter uns spielten die Kinder und vor uns knieten Leute mit ihren besten Festklamotten auf dem staubigen Boden. War irgendwie ergreifend und einfach nur schoen. Ganz nach Hermann-Nicolescher Tradition habe ich dann auch bei "Stille Nacht" ein kleines Traenchen rausgequetscht (Anmerkung BB: so klein war die gar nicht ... :); ich war aber auch sehr ergriffen. Muss sagen, dass war der feierlichste Gottesdienst, den ich je erlebt hab; ok ok das waren bisher nicht viele...). Nach der Messe machten wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Da wir in einem Vorort von Mendoza waren, gabs nur ein Restaurant, welches zwar offen aber unverschaemt teuer war. Wir hatten uns schon damit abgefunden, dass die Flasche Wein und ein Stueck Brot (Anmerkung BB: wie biblisch) unser einziges Nahrungsmittel fuer diesen Abend blieb. Die letzte Chance war ein Hotel mit Restaurant. Dies war zwar offen, hatte aber keine Gaeste. Der Kellner (der offenstlich auch keine Lust hatte wegen uns den Betrieb aufrecht zu erhalten) verwies uns an ein "Restaurant". Eigentlich hatten wir schon keine grosse Lust mehr, aber hungrig wollten wir den Weihnachtsabend auch nicht beschliessen.
Das Restaurant war nichts anderes als ein Haus mitten in einem riesen Grundstueck, bewachsen mit Baeumen und mit 5 Tischen ausgestattet. Das Haus war gleichzeitig auch das Wohnhaus der Familie von Ignacio. Ausser uns waren noch 3 andere Tische besetzt (Anmerkung BB: alle aus unserem Hotel uebrigens...). Das Essen war ok, der Wein spitze. Nach kurzer Zeit waren alle anderen Gaeste fertig und gingen heim. Es fing an leicht zu regnen, also setzten wir uns nach Einladung zum Rest der Familie auf die ueberdachte Terrasse. Die Familie bestand aus Ignacio, seinen zwei Nachbarjungs Luis und Marco (Anmerkung BB: letzterer sah ungelogen wie ein Hobbit aus), deren Mutter sowie der Frau von Ignacio (Anmerkung BB: Ignacios 10monatige Tochter Mia und den Hund "Wilbur" hast du noch vergessen). Ignacio liess Bier und Wein in stroemen fliessen und es entwickelte sich ein richtiges Fest. Nach und nach kamen auch noch die Eltern von Ignacio sowie ein Freund mit Frau dazu. Die Party wurde irgendwann in die Kueche verlagert und dauerte bis halb 4. Es ist unglaublich, wie sich nach kurzer Zeit und trotz aller Sprachbarrieren (obwohl auch Spanisch mit 2 Flaschen Wein im Blut super-einfach ist :) mit der Familie ein richtig inniges Verhaeltnis entwickelt hatte. Wir verabschiedeten uns mit einem Kuesschen auf die Wange (wie in Argentinen ueblich) und wurden auch noch nach Hause gefahren.
Wie schon so oft auf unserer Reise stehst du am Anfang eines Tages vor dem Nichts, ohne Vorahnung was passieren mag. Am Ende des Tages blickst du zurueck und wunderst dich, wieviele Wendungen und Zufaelle den Tag gefuellt und vervollstendigt haben und ihn zu dem Erlebnis gemacht haben, das er ist. Dieses Weihnachten wird jedenfalls fuer immer in unserer Erinnerung bleiben. Es fing an mit Jesus dem Taxifahrer und endete mit Ignacio und seiner Familie, die dieses Weihnachtsfest wirklich zu einem Fest gemacht haben.
Feliz Navidad!