Nach langen Vorbereitungen und unserer Abschiedsparty ging's los: Am 14. September sollte unsere Radtour von Freiburg nach Senegal beginnen. Unsere erste Etappe ging von Freiburg-Weingarten nach Freiburg-Wiehre (ca 3 km), die Strecke war relativ flach, voll asphaltiert und bot einen geeigneten Einstieg in unsere sportliche Tour nach Afrika. Unsere erste Nacht "on tour" haben wir bei Herwig, Dorothee und Tammo verbracht, die uns ein koestliches Abendessen servierten. Die Deutschen sind nicht umsonst so beruehmt fuer ihre Gastfreundschaft.
Gewoehnung an die schwere Last, Umverteilen von Gepaeck, das Rationalisieren des Ein- und Auspackens und die Gewoehnung unserer Koerper an das Gekurbel haben uns die ersten zwei Wochen ausgiebig beschaeftigt. Das Ergebnis waren 55 kg unter meinem und 43 kg unter Olgas Hintern, die unsere Knie bald ueberlastet haben. Olga's Porzellan-Knie schmerzten und ich hatte einen Knubbel am rechten Knie, den ich liebevoll Victor-Hugo nannte.
Die Vogesen waren nass, die Naechte kalt, doch trotz pflegebeduerftiger Knie haben wir versucht, keinen Berg auszulassen. Colmar - Dijon - Limoges - Bordeaux war die geradeste Linie von Freiburg an die franzoesische Atlantik-Kueste, und der sind wir auch gefolgt. Olgas entwickelte in Limoges eine originelle Art vietnamesisches Buffet-Essen zu servieren: einfach den Teller kopfueber auf den Tisch knallen, so dass das Menue schoen im Kreis auf der Tischdecke klebt. Diese neue Kunst faszinierte den Besitzer des Restaurants derart, dass er anstelle uns rauszuwerfen ein neues Gedeck brachte und uns zum Abschied mit einem Lachen per Handschlag verabschiedete.
Ueber die Pyrenaeen bei Port du Portalet haben uns die Franzosen als Tour-de-France-Nachzuegler zugejubelt und Feuerwehrmaenner haben Olga so stark angeschoben, dass Sie auf dieser Etappe zum ersten mal das Gelbe Trikot uebergestreift bekam. Das war also die Fahrt vom lieblich-gruenen Frankreich ins windig-steinige Spanien, das schon seit langem kein Regen mehr gesehen hatte. Die 40 km entlang eines "Stausees" waren eine Fahrt entlang einer Wueste.
Mit einer gebrochenen Felge an meinem Packesel erreichen wir Lleida und feiern das reparierte Rad mit einem "Correfoc" zum Fest des Sankt Michael, dem Schutzpatron der Stadt: Daemonen und Drachen spruehen Funkenregen und tanzen wild durch die Menschenmenge.
Erste grosse Pause in Reus bei Papa und Mama Olga, wo wir uns fuenf Tage lang von den Anfangsschwierigkeiten erhohlt haben. Nach dem zweiten Abschied von Zuhause waren wir dann wieder reif fuer das Radeln in Bergelandschaft. Durch die Terra Alta und die Maestrazgo ging's ueber Teruel nach Cuenca. Vier Paesse an einem Tag in der beeindruckenden Landschaft der Maesrazgo waren bisher unser sportliches Highlight.
La Mancha - das Land von Don Quijote - ist wahrscheinlich die langweiligste Gegend der Welt: flach wie ein Pfannkuchen und von den beruehmten Windmuehlen haben wir auf den 200 km nur drei gesehen. Eine besondere Ziegenart der Region scheint die "Cabra la Mancha" zu sein: 2 mm hoch und ueber die Strasse verteilt. Farbe und Geruch sind durch das Alter bestimmt. Auch viele Hunde scheinen sich in dieser Art der Landschaft angepasst zu haben (vielleicht die ideale Tarnung?). Olgas Radlerhosen schienen in der oeden Landschaft einen alten Radfahrer so aus dem Konzept zu bringen, dass wir ihn wieder aus den Bueschen ziehen mussten.
Auf die Hoehe von Despeniaperros wurden wir 3 km lang auf der Autovia von einer Polizeieskorte begleitet, um zu verhindern, dass wir uns nicht in die Reihe der oben erwaehnten Ziegen und Hunde der Mancha stellen muessen. Helm- und Westepflicht fuer Radfahrer schien nicht so wichtig zu sein - das waren echt entspannte spanische Polizisten.
Eine alte, stillgelegte Eisenbahntrasse, die zum Radweg ausgebaut wurde, fuehrte uns dann von Jaen 120 km suedwestwaerts auf der sogenannten Via Verde ueber Eisenbahnbruecken und durch -tunnel nach Lucena. Links und rechts nur Olivenhaine (Andalusien scheint die ganze Welt mit Oliven zu versorgen) und keine einziges Auto, das ist des Radfahrers Traum.
Eine grosse Blase auf meiner Termarest (groesser als Victor-Hugo) zwingt uns ueber die Berge an die Kueste nach Malaga, wo die 10-Jahre alte Matte schon zum dritten mal anstandslos umgetauscht wurde. Das ist wirklich Spitzen-Service von Cascade-Design!
Ab Malaga wurden wir dann ununterbrochen vom Terror auf vier Raedern begleitet, es gab keine Alternative zur Autobahn-aehnlich ausgebauten Autovia entlang der Kueste. Passend dazu Horden von englischen und deutschen Prol-Touris auf der gesamten Strecke bis nach Estepona. Eine kleine Oase auf dieser Horrorstrecke war unsere erste Camping-Nacht mit Meeresblick am ruhigen Sandstrand neben Pepe's Beach-Bar.
Hurra wir koennen Afrika sehen!! Mit fast exakt 3000 km radeln wir zum britischen Fels von Gibraltar und feiern das am Abend mit einem echten Kilkenny (Olga hatte ein Foster - sie ist eben doch eine Weintrinkerin...). Auf dem Camping-Platz von La Linea hatten wir fantastische Dauerunterhaltung von zwei Seiten: von einer Seite gab's Radiomusik, auf der anderen Seite fuehrte eine aeltere Dame in sehr britischem Englisch Non-Stop-Selbstgespraeche. Olga behauptete, sie probe fuer ein Hoerspiel, ich glaube eher, sie war verrueckt.
Durch den unheimlichen Stahl-Dschungel der Oelindustrie und in der Bucht von Algeciras und ueber die windigen Berge der suedlichsten Spitze Europas radeln wir nach Tarifa, von wo aus wir die Faehre nach Tanger nehmen wollen. Mit einem vollen Tag Buerokratie auf irgendwelchen Gesundheitsstellen in Algeciras, um Malaria-Medikamente zu bekommen, bereiten wir uns vorzueglich auf unsere bevorstehende Tour durch den schwarzen Kontinent vor.
Am 25. Oktober um 12 Uhr sieht uns Europa nur noch von Hinten.